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Bedenke!

Mut des Zweifels

„Galt zu Beginn des Krieges seine möglichst schnelle Beendigung als vordringliches Ziel, ist 70 Tage später common sense, dass die Ukraine ›gewinnen‹ müsse, wobei freilich nicht gesagt ist, was das denn bedeutet: die vollständige Aufrechterhaltung ihrer territorialen Integrität? Der staatlichen Souveränität? Eine Rückeroberung von Donbass und Krim? Gar ein Regimewechsel in Russland, wie man neuerdings hört? Fragen wie diese verweisen auf die erstaunliche Absenz einer politischen Debatte. Weder wird explizit über Kriegsziele noch über Gestalt und Figuration einer Nachkriegsordnung gesprochen, obwohl doch ausnahmslos alle Kriege des letzten halben Jahrhunderts, in die der Westen involviert war, immer von der Vermeidung der Frage gekennzeichnet waren, wie man denn wieder herauskommt aus dem, in das man sich hineinbegeben hat. Nicht mal die geschehene siegreiche Rückkehr der Taliban und deren Übernahme einer hoch modernen Kriegsmaschinerie scheinen die Erinnerung wert, dass man keinen Krieg führen sollte, ohne zu wissen, wie man ihn beendet.“

Harald Welzer (Publizist, Soziologe, Sozialpsychologe), „Lob der Bedachtsamkeit“, Essay, „SPIEGEL“ Nr. 19/7.5.2022, S.108ff.

„Wie müsste der ›Kompromiss‹ aussehen, den Sie fordern?
Ein ordentlicher Waffenstillstand, Verhandlungen, die die Würde des Menschen achten. Der Westfälische Friede [1648, beendete den Dreißigjährigen Krieg] war auch ein Kompromiss. Der ultimative Sieg wäre aber der Sieg der Vernunft!“

Der Kabarettist Gerhard Polt im Interview mit „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“),7.5.2022, S.11.

„Wenn es zum Marschieren kommt, wissen viele nicht
Daß ihr Feind an ihrer Spitze marschiert.
Die Stimme, die sie kommandiert
Ist die Stimme ihres Feindes.
Der da vom Feind spricht
Ist selber ein Feind.“

Bertolt Brecht, Svendborger Gedichte, 1939.

Ohne eine reflektierte Erinnerung läßt sich nicht kultiviert leben. Uneingelöstes drängt im besseren Fall rational zur Verwirklichung. Übel können beseitigt, schlummernde Hoffnungen geweckt und in die Tat umgesetzt werden.

Der 8. Mai 1945 ist das historisch nach wie vor bedenkenswerte Datum für die Befreiung von Faschismus und Krieg. Er konstituiert das „Nie

Wieder!“ sowie das „Wehret den Anfängen!“ von politischer Diktatur, menschenverachtender Hetze, Weltkrieg, Massenvernichtung, umfassender Gewalt und Zerstörung. Der 8. Mai ist eine positive historische Zäsur.

Deshalb forderte die Antifaschistin Esther Bejarano (1924-2021) unermüdlich, daß dieser Tag bundesweit zum gesetzlichen Feiertag gemacht werde:

„Ich fordere: Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes.
Wie viele andere aus den Konzentrationslagern wurde auch ich auf den Todesmarsch getrieben. Erst Anfang Mai wurden wir von amerikanischen und russischen Soldaten befreit. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.“

Offener Brief an die Regierenden und alle Menschen, die aus der Geschichte lernen wollen, 26.1.2020.

Mit der gelungenen Befreiung vom gewalttätigen Elend waren große Hoffnungen auf eine zivile, entmilitarisierte, demokratische und soziale Entwicklung der Gesellschaft und der Menschheit verbunden. Diese Hoffnungen fanden auch Ausdruck in der UN-Charta von 1945 sowie dem Grundgesetz von 1949. Weltfrieden, Menschenrechte und die Beseitigung des Elends auf der Welt standen an erster Stelle.

So sollte es auch heute wieder sein, wenn ein menschenwürdiges Leben in Völkerverständigung und der Verwirklichung des Allgemeinwohls nachhaltig an Bedeutung gewinnen. Dem entsprechen auch die 17 Ziele der nachhaltigen Entwicklung

für die Welt (Sustainable Development Goals / SDG´s), die durch die UNO 2016 in Kraft gesetzt worden sind. Frieden, die Beseitigung von Hunger und Krankheiten sowie die Bewältigung der Klimakrise sind beispielsweise die grundsätzlichen Vorhaben der internationalen Gemeinschaft.

Diesen Zielen sieht sich auch die Universität Hamburg verpflichtet. Daran ist sinnvoll zu arbeiten. Nicht zuletzt gestützt auf eine bedarfsgerechte Finanzierung, die Studienreform sowie den engagierten Einsatz aller Mitglieder.
Eine neue Etappe der Bedachtsamkeit kann beginnen.