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Dokumentation von Beschlüssen des Akademischen Senats (AS) aus dem Jahre 2010

Emanzipation statt Abarbeiten

„WÜRDE DES MENSCHEN
Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen,
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst.“

Friedrich Schiller, Gedichte, 1795 – 1802.



Inhalt

0. Editorial
I. Für humanistisches Eingreifen – gegen Rechts
I.1. Lesen, Lernen, Eingreifen – Zur Erinnerung an die Bücherverbrennung: Nie wieder!
I.2. Resolution zum 9.11.2010
II. Die Universität soll bleiben!
II.1. Stellungnahme des Akademischen Senats zur baulichen Entwicklung der Universität Hamburg
II.2. Die Universität bedarf zügiger Baumaßnahmen.
Ein Sondervermögen ist für deren Finanzierung ungeeignet.

III. Erweiterung der Handlungsfähigkeit
III.1. Bedarfsgerechte öffentliche Hochschulfinanzierung: Im Dienst der Menschen
III.2. Stellungnahme des Akademischen Senats zum Wirtschaftsplanentwurf 2011/2012


0. Editorial

Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Mit dem Scheitern des schwarz-grünen Senats und den für den 20. Februar 2011 angesetzten Bürgerschaftswahlen ist die Frage gestellt: Wie soll es nun – in Politik, Gesellschaft und Alltag – zügig wirklich besser werden?

Die in dieser Broschüre dokumentierten Beschlüsse des Akademischen Senats (AS) der Universität Hamburg aus dem Jahr 2010 geben in diesem Zusammenhang – nicht nur für das Hochschulische – Kriterien und Orientierung. Sie sind Ergebnis der Initiativen unseres „Bündnis für Aufklärung und Emanzipation (BAE!)“ und Ausdruck engagierter studentischer Aktivitäten des vergangenen Jahres.

Sie sind auch eine Folge der Notwendigkeit für die Universität, sich kollegial und demokratisch gegen die fortgesetzte neokonservative Zerstörungspolitik mit einer eigenen Perspektive humanistischer Verallgemeinerung von Bildung und Wissenschaft zu konstituieren. Das Konkurrenzregime, unter dem alle die Knie beugen sollen, damit die Börsenkurse steigen können, hat sich international als Fehlsteuerung (nicht nur) für die Hochschulen erwiesen. Die Kommerzialität und das unternehmerische Top-Down sind der menschlichen Erkenntnisgewinnung feindlich. Die Universität hat als öffentliche Einrichtung bewußter Weltaneignung und -gestaltung deshalb eine besondere Rolle für die Rekonstruktion gesellschaftlicher Vernunft.

Mit den Beschlüssen „gegen Rechts“, gegen die Uni-Verlagerung in den Hafen und gegen die Verschärfung der Unterfinanzierung sind zugleich Vorhaben der Aufklärung und Humanität, für eine geschichtsbewußte, gesellschaftlich verantwortliche und lebensnahe bauliche Uni-Entwicklung sowie für Gebührenfreiheit bessere öffentliche Hochschulfinanzierung als Grundlage demokratischer Bildung und Wissenschaft gefaßt.

Im Jahr 2011 wird es also darum gehen, dieses Programm zu verwirklichen und es zudem um eine Aktualisierung der universitären Friedensorientierung und der Bildung mündiger Menschen insbesondere in der Auseinandersetzung mit den Bachelor-Master-Studiengängen zu erweitern.

Für diese Perspektive wünscht eine anregende Lektüre

Das Bündnis für Aufklärung und Emanzipation (BAE!)

– Liste LINKS, harte zeiten – junge sozialisten, Fachschaftsbündnis, andere Aktive –


I. Für humanistisches Eingreifen – gegen Rechts

Der historische Ort der Bücherverbrennung durch Nazi-Studenten gegen linke, humanistische und kulturkritische Werke von jüdischen und politisch verfolgten Autorinnen und Autoren ist das Kaiser-Friedrich-Ufer, 15 Minuten Fußweg von der Universität entfernt. Seit einigen Jahren gibt es dort einen kleinen Gedenkplatz, an dem jährlich im Mai unter Beteiligung von Schülerinnen und Schülern, der jüdischen Gemeinde, von Anwohnerinnen und Anwohnern und antifaschistisch Engagierten eine Lesung zur Erinnerung an die Verfolgten statt. Der Akademische Senat sandte mit dem beigefügten Beschluß seine solidarischen Grüße und rief die Mitglieder der Universität zur Beteiligung auf. Der Aufruf wurde aktiv angenommen.


I.1. Lesen, Lernen, Eingreifen

Zur Erinnerung an die Bücherverbrennung: Nie wieder!

Beschluß von der 678. Sitzung des AS am 15. April 2010 mit 8:3:1 Stimmen.

Am 15. Mai 1933 beteiligten sich auch Studenten der Universität Hamburg an der von den Nazis organisierten Verbrennung der wissenschaftlichen und literarischen Werke humanistischer Intellektueller.

Die primitive Aktion fanatischer Aufklärungsgegner war die brutale Verneinung einer demokratischen, gerechten und friedlichen Gesellschaft. Sie war der öffentliche Auftakt zur politischen, sozialen und physischen Verfolgung und Vernichtung von Menschen.

Nie wieder!

Die Werke der verfolgten Autorinnen und Autoren waren (und sind) eine Quelle und Gestalt antifaschistischen Widerstandes für eine menschenwürdige Weltgesellschaft. Gegen Verbrennung und Verfolgung wurde das Engagement für Wahrheit, Humanität, Frieden und Demokratie intensiviert. So wuchs gegen schlimmste Verfolgung und gegen Menschenverachtung das Potential der Befreiung.

Diese Werke fordern unsere Anteilnahme und zivil couragiertes Engagement.

Der Akademischen Senat ruft deshalb alle Mitglieder Universität zur Teilnahme an der Veranstaltung auf:

„Bücherverbrennung – Nie wieder!“
Öffentliche Lesung aus Werken verfolgter Autorinnen und Autoren
Dienstag, 11. Mai 2010
12 Uhr bis 19 Uhr
Kaiser-Friedrich-Ufer/Platz der Bücherverbrennung


I.2. Resolution zum 9.11.2010

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und die Universität Hamburg erinnern jährlich an das Novemberpogrom von 1938 gegen Menschen aus dem jüdischen Kulturkreis. Für die Universität ist dies Anlaß, sich ihrer eigenen Verantwortung in Geschichte und Gegenwart zu stellen.

Einstimmiger Beschluß von der 683. Sitzung des AS am 21. Oktober 2010.

„Tempelherr:
Der Aberglaub’, in dem wir aufgewachsen,
Verliert, auch wenn wir ihn erkennen, darum
Doch seine Macht nicht über uns. - Es sind
Nicht alle frei, die ihrer Ketten spotten.“

Gotthold Ephraim Lessing, „Nathan der Weise“, Vierter Aufzug/Vierter Auftritt, 1779.

Am 9. November jährt sich zum 72. Mal die Reichspogromnacht. Der Akademische Senat ruft aus diesem Anlaß die Mitglieder der Universität auf, an der Mahnwache auf dem Joseph-Carlebach-Platz teilzunehmen.

Als vor 72 Jahren die Bornplatz-Synagoge in ihrer unmittelbaren Nähe verwüstet und geschändet wurde, hatte die Universität ihre ideologische Gleichschaltung und „rassische“ Säuberung längst mitvollzogen. Schon vor 1933 hatte die Verfolgung aufgeklärter, demokratischer und jüdischer Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftler eingesetzt. Ihr Wirken, teilweise fortgesetzt in Widerstand und Exil, erinnert uns heute, daß es immer eine Alternative zum Absturz in die Barbarei gibt. Während des Novemberpogroms wurden im gesamten „Deutschen Reich“ hunderte Menschen ermordet oder in die Selbsttötung getrieben; jüdische Institutionen und etliche Wohnungen, Geschäfte und Einrichtungen wurden zerstört. Unmittelbar anschließend wurden 30.000 Menschen in Konzentrationslager verschleppt. Diese organisierte öffentliche Gewalttat signalisierte den Übergang von Ausgrenzung und Verfolgung zur systematischen Vertreibung und industriell-technischen Vernichtung von Menschen.

Der Antisemitismus der Nazis diente als rassistisches Instrument, um jüdisches Eigentum zu rauben, humanistische Kunst- und Denktraditionen zu zerstören und der Bevölkerung einen Sündenbock für alle Übel vorzuhalten. Die systematische ideologische Herabsetzung eines Bevölkerungsteils war eine wesentliche Säule der diktatorischen Herrschaft, die mit der Vernichtung von 60 Millionen Menschenleben im Zweiten Weltkrieg und der Zerstörung erheblicher Potentiale zivilisatorischer Entwicklung ihr barbarisches Werk verrichtete. Die Befreiung von dieser Geißel der Menschheit gelang nur auf Basis vorurteilsloser Verständigung und dem entschiedenen internationalen Engagement zahlloser Menschen für eine friedliche und menschenwürdige Welt.

Die Universität erkennt aus dieser Geschichte die dauerhaft aktuelle Verantwortung, couragiert und frühzeitig jeder Entwertung und Ausgrenzung von Menschen aufklärerisch entgegenzuwirken und sich in den Dienst von Wahrheit, Humanität und Demokratie sowie des Friedens zu stellen.

Das Präsidium wird gebeten, diesen Aufruf in Universität und Öffentlichkeit zu verbreiten.


II. Die Universität soll bleiben!


II.1. Stellungnahme des Akademischen Senats zur baulichen Entwicklung der Universität Hamburg

Seit Juli 2008 war der Plan der Behörde für
Wissenschaft und Forschung (BWF) öffentlich,
die Universität für mindestens 4 Mrd.
Euro in den Hafen zu verlagern. Der damit
beabsichtigte Akt der Zerstörung - motiviert
aus konservativer Aversion gegen die demokratisch,
sozialkritisch und antifaschistisch
geprägte Universität Hamburg - sollte die
Universität mit einer fixen Idee beschäftigen
sowie die kalte Hafencity aufwerten und
Investoren und Spekulanten in Eimsbüttel
den Weg frei räumen. Mit dieser „Vision“ ist
der politische Senat auf ganzer Linie an dem
solidarischen Protest der Bevölkerung
(23.000 Unterschriften wurden gesammelt),
der fundierten kultur-historischen Aneignung
des Universitätserbes und dem Nein! der akademischen
Gremien gescheitert. Das Projekt
wurde endgültig beerdigt, nachdem der Akademische
Senat nachstehenden Beschluß
gefaßt hatte:

Einstimmiger Beschluß von der 679. Sitzung des Akademischen Senats am 20. Mai 2010:

Der Akademische Senat begrüßt, dass die Bürgerschaft die bauliche Entwicklung der Universität mit hohen Summen unterstützen wird. In der Debatte zu dieser Entwicklung ist der wissenschafts- und bildungspolitische Bedarf der Universität statt stadtentwicklungspolitischer Erwägungen an die erste Stelle zu rücken. Der Akademische Senat stellt zur baulichen Entwicklung der Universität folgendes fest:

Zur Lage der Universität in Eimsbüttel

Die aufgeklärt bürgerliche Gründungsgeschichte, ihre widersprüchliche Entwicklung im jüdischen Viertel und ein demokratischer Aufbruch mit der Ambition, Humboldt’sche Bildungsansprüche gesellschaftlich zu verallgemeinern, prägen die Entwicklung der Universität und kommen auch baulich zum Ausdruck. Der bewusste Umgang mit dieser Geschichte ist die Basis einer souveränen Entwicklung der Universität in gesellschaftlicher Verantwortung. Die Universität ist in Stadt und Stadtteil gut gewachsen. Sie liegt zentral, ist hervorragend regional und überregional erreichbar, belebt den umgebenden Bezirk ökonomisch, kulturell und sozial und gedeiht durch die gesellschaftliche Integration ihrer wissenschaftlichen Einrichtungen.

Erfordernisse, die für die Bauentwicklung zu berücksichtigen sind

Angesichts der wachsenden Bedeutung von Forschung, Lehre und Bildung entsprechen die Flächen, wie auch die Stellen und die Mittel, die der Universität zur Verfügung stehen, nicht dem Bedarf. Beispielsweise muss die Universität aktuell Anmietungen aus allgemeinen Wirtschaftsplanmitteln finanzieren, um die derzeit bereits bestehenden Flächenmehrbedarfe abdecken zu können, was den laufenden Betrieb und die positive Weiterentwicklung der Universität bremst.
An einer wachsenden Anzahl von Lehrangeboten sind mehrere Fachbereiche/Fakultäten beteiligt. Derzeit existieren an der Universität rund 180 Studiengänge, die fast sämtlich der Kooperation verschiedener Fächer bedürfen. Davon sind rund 20 hochschulübergreifend und viele weitere fakultätsübergreifend. Um die Studierbarkeit organisatorisch gewährleisten zu können, ist die Universität darauf angewiesen, dass im Regelfall keine Zeiten zum Wechsel des Veranstaltungsortes von mehr als 30 Minuten anfallen. Insbesondere für Lehramtsstudierende ist dies zentral.
Die angestrebte Verstärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit in Forschung und Lehre setzt eine große räumliche Nähe der beteiligten Akteure voraus. Eine wichtige Zielsetzung der Universität ist die Intensivierung der Kooperation mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die zu relevanten Teilen bereits in ihrer Nähe sind.
Für den Alltag von Studierenden und Universitätsmitarbeitern/innen sind soziale und kulturelle Infrastruktur auf dem Campus bzw. in direkter räumlicher Nähe zum Campus (Grünanlagen, Sportanlagen, Kita, Kultureinrichtungen, etc.) nötig, sowie gute regionale und überregionale Verkehrsanbindungen, Ruhe, gute Luft und Erschütterungsarmut. Die dringend erforderlichen Baumaßnahmen sollten insgesamt in einem solchen finanziellen Rahmen liegen, dass sie auch tatsächlich umgesetzt und abgeschlossen werden können. Sie sollten, um den Betrieb möglichst wenig zu belasten, binnen zehn Jahren realisiert werden. Eine weitere Verzögerung des Baubeginns ist für die Universität nicht hinnehmbar.

Zu den Überlegungen bezüglich einer Teilverlagerung

Eine Teilung der Universität würde gewachsene und zu fördernde interdisziplinäre Zusammenhänge gefährden, die Wege unproduktiv verlängern sowie Kommunikation und Kooperation in Wissenschaft und Selbstverwaltung einschränken. Eine Loslösung der Disziplinen voneinander würde die Reflektion der Wissenschaftsgegenstände in ihrer gesamten gesellschaftlichen Tragweite erschweren.
Der Akademische Senat der Universität lehnt daher eine Teilverlagerung ab.

Zum Kleinen Grasbrook als Ort für die Universität

Am Kleinen Grasbrook sind die erforderliche soziale und kulturelle Infrastruktur ebenso wenig in Sicht wie die gewünschte Einbindung in einen Stadtteil. Der Kleine Grasbrook ist verkehrsmäßig nicht adäquat erschlossen und auch nur nach zwei Seiten erschließbar. Die außeruniversitären Kooperationspartner würden in größere räumliche Ferne rücken. Wegen der Hafen- und Industrienähe würde die wissenschaftliche Arbeit durch Lärm, Emissionen und Erschütterungen beeinträchtigt werden. Der Kleine Grasbrook ist hochwassergefährdet und bedürfte erheblicher Tiefbaumaßnahmen, was den Bau verteuern und die Bauzeit verlängern würde, sowie eine ungeplante de-facto-Teilverlagerung zur Folge haben könnte. Der Baugrund steht nicht zügig zur Verfügung und aufwendige Planungs- und Genehmigungsverfahren würden einen Baubeginn außerdem hinauszögern.
Der Akademische Senat der Universität hält daher den Kleinen Grasbrook für die Universität oder Universitätseinrichtungen für ungeeignet und lehnt ihn als Ort dafür ab.

Entwicklung in Eimsbüttel

Keines der für den Kleinen Grasbrook genannten Probleme ist für die Planungen in Eimsbüttel feststellbar. Es sind bereits knapp 70 Prozent der genutzten Flächen der Universität in Eimsbüttel verortet. Weitere Flächen sind in ausreichendem Maß nachgewiesen und schon kurzfristig in unmittelbarer Campusnähe bebaubar. Die Kosten für eine Sanierung und Erweiterung der Universität in Eimsbüttel würden laut vielfältiger Berechnungen mit rund 600 bis 700 Mio. Euro um mindestens zwei Drittel niedriger ausfallen, als realistische Berechnungen für den Kleinen Grasbrook erwarten lassen. Die eingesparten Mittel können sinnvoll für die Universität eingesetzt werden, um hieraus die erforderlichen Sach- und Personalmittel zu finanzieren.
Der Akademische Senat der Universität Hamburg fordert die Bürgerschaft und den Senat der FHH deshalb auf, zügig politisch und finanziell den Weg für die dringend notwendigen Sanierungen sowie für eine bedarfsgerechte und geschichtsbewusste Erweiterung der Universität in Eimsbüttel frei zu machen. Dabei soll die weitere Zusammenführung von universitären Einrichtungen gefördert und Rücksicht auf die Belange der Anlieger genommen werden. Die BWF möge sich deshalb insbesondere dafür einsetzen, dass das alte Fernmeldegebäude in der Schlüterstraße für universitären Gebrauch erschlossen werden kann. Der Bezirk Eimsbüttel möge eine zügige Baurealisierung nach allen Kräften unterstützen. Die Gremien der Universität sollten dabei kontinuierlich einbezogen werden.


II.2. Die Universität bedarf zügiger Baumaßnahmen.

Ein Sondervermögen ist für deren Finanzierung ungeeignet.

Trotz der eindeutigen Richtungsentscheidung für die Uni in Eimsbüttel wollte Senatorin Gundelach die Universität weiterhin belasten: Mit der Finanzierung der überfälligen und seit neun Jahren absichtsvoll verschleppten Sanierungen der Einrichtung. Insbesondere die Bildung eines „Sondervermögens“ zur Kaschierung der Baukosten im Haushalt der Hansestadt und verbunden mit dem Druck auf die Universität, ihre jahrzehntelang kostenfrei genutzten städtischen Gebäude plötzlich zu mieten, war dafür in der Diskussion. Auch hier erteilt der Akademische Senat eine klare Absage und fordert die Einhaltung getroffener Finanzierungszusagen auf demokratischem Wege.

Einstimmiger Beschluß der 683. Sitzung des Akademischen Senats vom 21.Oktober 2010

Für die Arbeit in der Universität ist die Instandhaltung, Renovierung, Sanierung und Erweiterung des Gebäudebestandes dringend erforderlich. Für all dies wird nun eine Veränderung der Finanzierung mit weitreichenden Folgen für die Universitätsentwicklung vorgeschlagen. Dazu nimmt der Akademische Senat der Universität wie folgt Stellung:

Zwischenfinanzierung

Eine kurzfristige Zwischenfinanzierung besonders akuter Bauaktivitäten ist erforderlich. Hierfür hat die BWF ein "kleines Sondervermögen" vorgeschlagen, da die Investitions- und Kreditobergrenzen vom Senat ausgeschöpft seien und nach Aussage der BWF/Finanzbehörde nicht verändert werden sollen.
Im Vergleich zum "großen Sondervermögen" sind laut BWF/Finanzbehörde bei der "kleinen" Variante lediglich der Übergang von Universitätsbeschäftigten zum Betrieb "Sondervermögen" sowie "Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für das Bau- und Liegenschaftsmanagement" nicht vorgesehen. Zudem soll das "kleine Sondervermögen" zeitlich befristet sein. Allerdings sehen wir die Gefahr, dass die kleine Lösung die Türen für die Überführung in ein "großes Sondervermögen" öffnet.
Der AS stellt fest, dass durch eine Zwischenfinanzierung zum jetzigen Zeitpunkt nicht die Art und Weise der dauerhaften Finanzierung und Organisation der Bauaktivitäten der Universität auf ein Sondervermögen präjudiziert werden darf.

Sondervermögen

Für ein Sondervermögen würden die Gebäude der Universität einer neuen Institution, dem Landesbetrieb Sondervermögen, als Aktiva übertragen. Das Sondervermögen würde einen Kredit aufnehmen, der durch eine Staatsgarantie der FHH abgesichert wäre. Aus dem gewährten Kredit sollten Baumaßnahmen finanziert werden und die Universität müßte an das "Sondervermögen" Miete zahlen. Außerdem müßte der Kredit getilgt werden.
Hieraus ergeben sich folgende Konsequenzen: Es besteht die Gefahr, dass die Universität selbst Mittel für Mieten und Rückzahlung akquirieren muss. Dieses gilt selbst dann, wenn die BWF temporär das Budget der Universität um Miete/Zins und Tilgung erhöht, da vor dem Hintergrund der aktuellen und zu erwartenden Haushaltslage die Langfristigkeit dieser Zahlungen angezweifelt werden muß. Das Erfordernis der Mitteleinwerbung käme einer Ausrichtung der universitären Arbeit auf wissenschaftsfremde Interessen gleich. Forschung und Lehre geraten stärker unter den Druck, die inhaltliche Ausrichtung am Ziel der Mitteleinwerbung zu orientieren. Die Universität ist aber kein gewinnorientiertes Unternehmen, sondern eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Wegen ihrer hohen Verantwortung für das allgemeine Wohl darf ihre Zielsetzung nicht der finanzielle Erfolg sein.

Weitere Einschränkungen und Gefahren durch ein Sondervermögen mit daran gekoppelten Organisationsmodellen wären:
Die Höhe der zu entrichtenden Miete und ihre Beständigkeit sind ungewiss.
Im Interessenkonflikt zwischen dem "Sondervermögen" als Vermieter-Monopolist und der Universität verlöre diese Einfluss auf die sinnvolle Nutzung und Gestaltung der Gebäude.
Eine Trennung der Verantwortung und Finanzierung für Bau und Bewirtschaftung/Instandhaltung von Gebäuden legt eine kostengünstige Erstellung von Gebäuden nahe, die hohe laufende Kosten in den Folgejahren mit sich bringen.
Durch einen Übergang der mit der Bewirtschaftung der Gebäude befassten Mitglieder der Universität in das "Sondervermögen" würde die Universität wichtige Kenntnisse und Kooperationszusammenhänge verlieren.
Die betreffenden Kollegen würden ggf. aus dem Tarifvertrag fallen und die Universitätsmitgliedschaft verlieren, was aus sozialen Gründen, wegen des Verlusts der Identifikation mit der Universität und wegen der damit einhergehenden Qualitätseinbußen abzulehnen ist.
Die Bildung des Betriebes "Sondervermögen" würde Stadt und Universität erhebliche Kosten verursachen, die bei Sanierung und Erweiterung fehlten.
Die Ausgliederung aller Gebäudeverantwortlichen aus der Universität wäre eine immense Behinderung bei der Planung und Durchführung der bereits zugesagten Sanierungs-, Modernisierungs- und Erweiterungsvorhaben.
Insgesamt könnte der Eindruck entstehen, daß sich die Universität verschuldet hätte, was von ihrer politisch verursachten Unterfinanzierung ablenken würde.

Eigentümermodell

Durch einen Kredit im Rahmen des Eigentümermodells entstehen dieselben Probleme wie durch das Sondervermögen: die Miete heißt hier Zins.

Finanzierung aus dem Investitionshaushalt der Stadt

Eine herkömmliche Finanzierung der Baumaßnahmen aus dem Investitionshaushalt der Stadt bringt für die Universität keines der genannten Probleme mit sich. Statt dessen stärkt dieses Modell die Unabhängigkeit der Universität von partikularen Interessen. Erfahrungen und entwickelte Kooperationen in der Universität werden tradiert, die Gebäudeverantwortlichen bleiben Universitätsmitglieder mit allen Rechten und Pflichten und behalten das bisherige tarifliche Niveau. Die Finanzierung von Bau, Instandhaltung und Bewirtschaftung aus öffentlicher Hand ist die Voraussetzung für eine lebenszyklus- und aufgabenorientierte Bauweise.
Die Baufinanzierung aus dem Investitionshaushalt ist mit den geringsten Transaktionskosten für Stadt und Universität, der größten Sicherheit für den Bestand und dem größten Nutzen für Wissenschaft und Bevölkerung verbunden. Für Forschung, Lehre und Bildung in wissenschaftlicher Unabhängigkeit ist allerdings die staatliche bedarfsdeckende Finanzierung unter der Bedingung der Kooperation zwischen Universität und BWF Voraussetzung.

Der Akademische Senat fordert daher BWF und Bürgerschaft auf, sämtliche Überlegungen hin auf ein Sondervermögen fallen zu lassen und die erforderlichen Baumaßnahmen aus dem Investitionshaushalt bedarfsdeckend zu ermöglichen.


III. Erweiterung der Handlungsfähigkeit


III.1. Bedarfsgerechte öffentliche Hochschulfinanzierung:
Im Dienst der Menschen

Der CDU/GAL-Senat hat schwerwiegende Kürzungen in Bildung, Kultur und Sozialem angekündigt. Der Akademische Senat fordert stattdessen, mit Rekurs auf das humanistische Leitbild der Universität, eine Erhöhung der Grundfinanzierung der Universität.

Beschluß von der 682. Sitzung des Akademischen Senats am 9. September 2010

Die Unterfinanzierung der öffentlichen Hochschulen ist Ausdruck des Widerspruchs zwischen einerseits der wachsenden gesamtgesellschaftlichen Bedeutung wissenschaftlicher Bildung und Forschung und andererseits der politischen Entscheidung für eine restriktive Haushaltspolitik. Seit den frühen 1990er Jahren ist die Universität Hamburg mehrfach durch sogenannte Sparrunden in der Erfüllung und Erweiterung ihrer Aufgaben in Forschung, Lehre, Studium und Selbstverwaltung stark eingeschränkt worden. Die Fächer und die Studienplätze haben darunter gelitten.

Im Leitbild der Universität sind als Maßstäbe einer gesellschaftlich notwendigen Entwicklung die Kooperation zwischen den Fächern und die Förderung der Internationalität, die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre, die Bildung mündiger Menschen, die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Zuwendung der Wissenschaften zu gesellschaftlichen Aufgaben formuliert. Die Universität will damit einen Beitrag zur zivilen, ökologisch nachhaltigen, sozial verantwortlichen und demokratischen Entwicklung der Gesellschaft leisten.

Dafür müssen Bildung und Wissenschaft bedarfsgerecht und öffentlich finanziert werden. Das schließt die Gebührenfreiheit des Studiums und eine Kompensation der entfallenden Einnahmen aus öffentlichen Mitteln ein.


III.2. Stellungnahme des Akademischen Senats zum Wirtschaftsplanentwurf 2011/2012:

Die konkretisierten abwegigen Vorstellungen des politischen Senats für den Landeshaushalt 2011/12 machen ersichtlich, daß das Studierendenwerk und Universität erheblich
beschränkt werden sollen. Der Akademische Senat faßt dies so auf wie das Schauspielhaus - als Kampfansage! Mit nachstehendem Beschluß ermuntert er alle Mitglieder der Universität, sich für eine Verbesserung der Lage zu engagieren.

Einstimmiger Beschluß von der 683. Sitzung des AS vom 21. Oktober 2010

Der Akademische Senat adressiert diese Stellungnahme zum Wirtschaftsplanentwurf nicht nur an das Präsidium der Universität und den Hochschulrat sondern auch an die zuständige Behörde und die Mitglieder des politischen Senats der Freien und Hansestadt Hamburg.

Der Akademische Senat bekräftigt seine Stellungnahme zur bedarfsgerechten öffentlichen Hochschulfinanzierung vom 9.9.2010 (AS 682), dass für die verantwortungsvolle Verwirklichung der gesellschaftlichen Aufgaben der Universität, wie sie im Leitbild gefaßt sind, die Überwindung ihrer Unterfinanzierung unerlässlich ist.
Der Akademische Senat unterstützt den Präsidenten der Uni Hamburg in der Forderung, den Etat der Universität dauerhaft gegenüber den Ansätzen der vergangenen Jahre um errechnete 50 Mio. Euro aufzustocken und das strukturelle finanzielle Defizit zu beheben.

Vor diesem Hintergrund lehnt der Akademische Senat den Wirtschaftsplan-Entwurf kategorisch ab.

Der Entwurf ist im wesentlichen Ergebnis nicht nur der fortgesetzten vollkommen unzureichenden Mittelzuweisung durch den Senat der Hansestadt Hamburg, sondern nun auch noch von angekündigten zusätzlichen Kürzungen in Höhe von 4 % des Gesamtzuschusses.
Der politische Senat bleibt damit in Bezug auf die Hochschulfinanzierung bundesweit ein Schlusslicht. Eine verantwortungsvolle Lehre, entwicklungsorientierte Forschung und der gesellschaftliche Bildungsauftrag der Hochschulen werden mit einer solchen Haushaltspolitik konterkariert.
In Verbindung mit den quantitativen Zielvorgaben für die Universität (z.B. Studienplatzzahlen) führt diese Unterfinanzierung praktisch zum Verlust der im HmbHG vorgesehenen Hochschulautonomie in Haushaltsfragen. Auf diese Weise wird auch der inhaltlich-wissenschaftliche Gestaltungsspielraum erheblich beschnitten.
Der Akademische Senat erwartet, dass zukünftig die Bedarfe der UniHH wieder in einem aufsteigendem Wirtschaftsplanverfahren erarbeitet werden.
Die jüngsten Sparvorgaben haben ein Gesamtvolumen von ca. 12 Mio. Euro jährlich. Darunter ist eine pauschale nicht zweckgebundene Absenkung des Gesamtetats um ca. 2,5 Mio. Euro vorgesehen. Dies gefährdet sowohl die für eine verantwortungsvolle Wissenschaft erforderliche Verwaltungsarbeit wie auch die für Lehre und Forschung bereitzustellenden Mittel und damit die Erbringung der zwischen Universität und Behörde vereinbarten Leistungen der Hochschule.

Die Streichung des Weihnachtsgeldes für die verbeamteten Beschäftigten der Universität bedeutet eine Gehaltskürzung von bis zu 5%. Dies spitzt die Problematik weiter zu und ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Technischen und Verwaltungspersonals und des wissenschaftlichen Personals ein Affront. Gleichzeitig wird damit die Wettbewerbsfähigkeit der Universität bei Neuberufungen und Bleibeverhandlungen massiv geschwächt. Dies gefährdet den Wissenschaftsort Hamburg.

Für politisch unverantwortbar hält der Akademische Senat die angekündigten - sogar rükkwirkenden - Kürzungen von jährlich 4-5 Mio. Euro bei der Verwaltung bzw. den Kompensationszahlungen der Studiengebühren, die nun unmittelbar aus den eingeplanten Gebühreneinnahmen in Höhe von 22,7 Mio. Euro selber zu bestreiten sind.
Darin enthalten ist insbesondere auch die Verwendung großer Teile der Studiengebühren für die Zinsen der Gebührenstundung. So werden Teile der erhobenen Studiengebühren zwekkentfremdet zur Beförderung von Bankgeschäften.
Dabei wird der Druck auf die Studierenden erhöht, keine Stundung in Anspruch zu nehmen, um den Etat der Uni zu schonen. Hier werden - zum Teil gesetzlich verankerte - Finanzierungszusagen revidiert, die zur politischen Durchsetzung der fortgesetzten Erhebung der Gebühren nötig waren.
Der AS sieht sich daher in seiner aus sozialen und wissenschaftspolitischen Gründen aufgestellten Forderung nach Abschaffung der Studiengebühren und ihrer vollen staatlichen Kompensation bestärkt.

Ebenfalls inakzeptabel ist die vollständige Streichung der staatlichen Stipendien für ausländische Studierende. Die Aufgabe der Universität, einen Beitrag zur Integration, zum wissenschaftlichen Studium und zur friedlichen internationalen Entwicklung zu leisten, wird damit drastisch erschwert. Gerade mit Studierenden aus Ländern, in denen der ein höherer Bedarf nach solchen Stipendien besteht, ist der wissenschaftliche Austausch für diese Aufgabe zentral.

Weiterhin stellt der Akademische Senat fest:
Das Kontenplanformat des Wirtschaftsplans 2011/2012 entspricht nicht den Anforderungen einer Universität. Es liefert nicht die erforderliche Transparenz, um die jeweiligen Bestandteile der Geschäftstätigkeiten nachvollziehbar identifizieren zu können. Erforderlich sind insbesondere eine differenzierte Ausweisung der Anteile von Personal und Sachmitteln sowie Sachmitteln für Lehre und Forschung. Planansätze sollten deutlich und von der Aufwands- zur Ertragseite nachvollziehbar differenziert dargestellt werden (z.B. Aufwendungen für Lehre und Forschung sowie Energie und Bewirtschaftung).
Die Finanzierungsanteile aus unterjähriger Haushaltsfinanzierung (z.B. Hochschulpakt 2020) müssen kostendeckend sein. Bei unterjähriger Haushaltszuweisung müssen Personal- und Sachmittel differenziert berücksichtigt werden. Es muss sichergestellt sein, dass eventuelle Zuwächse nicht nur höhere Personalmittel für Lehre, sondern auch eine entsprechende Steigerung im Sachmittelbereich vorsehen.
Etliche der von der Universität in Wahrnehmung gesellschaftlicher Aufgaben erwarteten und erbrachten Leistungen wurden traditionell nicht kostendeckend finanziert (z.B. öffentlicher Zugang zu Museen und Botanischem Garten). Der Akademische Senat fordert das Präsidium auf, diese sinnvollen Leistungen in der öffentlichen Diskussion stärker in den Vordergrund zu stellen und auf eine entsprechende Budgetierung hinzuwirken.

Der Akademische Senat bittet die Fakultätsräte um Befassung und Abgabe von Stellungnahmen der Fakultäten.

Der Akademische Senat unterstützt das Präsidium darin, alle Möglichkeiten einer politischen Einflussnahme dafür auszuschöpfen, dass bei den Haushaltsberatungen in der Bürgerschaft zum Doppelhaushalts 2011/2012 die Ergebnisse aus der Finanzklausur des politischen Senats im Wirtschaftsplan der Universität Hamburg revidiert und zugunsten der Universität korrigiert werden.

Der AS fordert die Mitglieder der UniHH auf, sich an öffentlich aufklärenden Aktivitäten gegen die Kürzungspolitik des politischen Senats zu beteiligen und dabei insbesondere mit dem ebenfalls stark betroffenen Studierendenwerk zu kooperieren.

(Beschlossen am 21. 10. 2010, einstimmig bestätigt in eMail-Abstimmung am 11. 11.2010)