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WissenschaftlerInnen für den Frieden
Geballter Unsinn
„Die deutsche Diskussion über nukleare Abschreckung ist nämlich – bei allen Fortschritten in den beiden vergangenen Jahren – noch immer von moralischen Reflexen und historisch tradierten Narrativen geprägt, anstatt sich pragmatisch mit den gewachsenen sicherheitspolitischen Realitäten auseinanderzusetzen. (…)
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, die Diskussion um die wichtigen Aspekte von Zivilschutz und gesellschaftlicher Resilienz zu erweitern. So stellt sich auch die neuerdings wieder aufgeworfene Frage nach einer permanenten Dienstpflicht. Sie hätte zunächst praktisch-organisatorische Auswirkungen, im weiteren Verlauf könnten die mit ihr verbundenen Erfahrungen jedoch auch etablierte Auffassungen und kollektive Befangenheiten überwinden helfen.“
Michael Jonas (Neuere und Neueste Geschichte, German Institute for Defence and Strategic Studies, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg), Severin Player (ebendort Wissenschaftsoffizier am „Lehrstuhl“ Politikwissenschaft), „Die Bombe verstehen lernen“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 24.03.2025, S. 11.
Ein starkes Plädoyer für den Frieden
„Wissenschaftler gegen die Wiederaufrüstung – Ein Manifest
Als Wissenschaftler – viele von uns sind in Bereichen tätig, in denen Militärtechnologie entwickelt wird – als Intellektuelle, als Bürger, die sich der aktuellen globalen Risiken bewusst sind, glauben wir, dass es heute die moralische und staatsbürgerliche Pflicht eines jeden Menschen guten Willens ist, seine Stimme gegen den Ruf nach einer europäischen Militarisierung zu erheben und auf Dialog, Toleranz und Diplomatie zu drängen.
Eine abrupte Militarisierung bewahrt nicht den Frieden, sie führt zum Krieg. (…) Die Vorstellung, dass der Frieden davon abhängt, die andere Seite zu überwältigen, führt nur zur Eskalation, und Eskalation führt zum Krieg. Der Kalte Krieg wurde nicht zu einem „heißen“ Krieg, und kluge Politiker beider Seiten waren in der Lage, ihre starken ideologischen Divergenzen und ihre jeweiligen „Grundsatzfragen“ zu überwinden und sich auf eine drastische, ausgewogene Reduzierung ihrer jeweiligen Atomwaffen zu einigen. Die START-Atomwaffenverträge zwischen den USA und der Sowjetunion führten zur Vernichtung von 80 % des Atomwaffenarsenals der Welt. Wissenschaftler und Intellektuelle auf beiden Seiten spielten eine anerkannte Rolle dabei, die Politiker zu einer vernünftigen Deeskalation zu bewegen. 1955 unterzeichneten einer der prominentesten Philosophen des 20. Jahrhunderts, der Mathematiker und Literaturnobelpreisträger Bertrand Russell, und der Physiknobelpreisträger Albert Einstein 1955 ein einflussreiches Manifest und die davon inspirierte Pugwash-Konferenz brachte Wissenschaftler beider Seiten zusammen, die sich für eine Deeskalation einsetzten. (…)
Die Menschheit steht vor gewaltigen globalen Herausforderungen: Klimawandel, Hungersnöte im globalen Süden, die größte wirtschaftliche Ungleichheit aller Zeiten, steigende Pandemierisiken, Atomkrieg. Das Letzte, was wir heute brauchen, ist, dass der Alte Kontinent von einem Leuchtturm der Stabilität und des Friedens zu einem neuen Kriegsherrn wird.“
Onlineportal der International Union of Scientists, Scientists against Militarization and the Destructive Use of Science and Technology, 09.03.2025.
Im Ernst
Frieden schafft Frieden,
Aufrüstung ist ein Irrweg,
die Menschheit wehrt sich.
Wie gut, daß es den beiden Herren von der Hamburger Bundeswehr-(Helmut-Schmidt-)Universität nicht darum geht, daß wir lernen, „die Bombe zu lieben“. Sie wollen lediglich – wider alle Erfahrungen, Maßstäbe und begründeten Vorbehalte –, daß wir uns daran gewöhnen. Die Legitimität des Wahnsinns ist nicht gegeben.
Allerdings sind ja berechtigte Ansprüche an den Frieden, tatsächliche gemeinsame Sicherheit, soziale Standards und die Völkerverständigung nicht so leicht in den Wind zu schlagen. Wir sind keine Esel, und wenn, dann doch lieber etwas störrisch.
Rein „pragmatisch“ ist die nukleare Aufrüstung nicht, auch wenn gar von mehreren „gewachsenen sicherheitspolitischen Realitäten“ (sic) kraftvoll die Rede ist. „Kollektive Befangenheiten“, die auf „moralischen Reflexen“ (aus dem Stammhirn, Grenze zum Rückenmark?) und „historisch tradierten Narrativen“ (alles Geflunker?) beruhen, haben ihre prinzipielle, aktuelle und Perspektive gebende Berechtigung: Zwei Weltkriege, die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am Ende des Zweiten Weltkrieges, mehrere Kriege wie der Vietnamkrieg und auch verrückte Präsidenten wie Ronald Reagan – erst recht Donald Trump! – mahnen nachhaltig zu demokratischer Vorsicht und pazifistischer Skepsis.
Aber auch auf der andren Seite stehen und wirken beispielsweise der „Kampf gegen den Atomtod“ (1957–1959, gegen die Ausrüstung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen), die weltweiten Aktionen gegen den Vietnamkrieg (1955–1975) der USA, welcher auch durch die internationale Friedens- und Studierendenbewegung beendet werden konnte, die Aufrüstung mit neu wirksamen Mittelstreckenraketen (1980er Jahre), die durch die Friedensbewegung bzw. durch eine Initiative von Michael Gorbatschow im INF-Abrüstungsvertrag zurückgenommen werden konnte …
In den meisten Fällen waren auch WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen an diesen grundlegend positiven und teilweise sehr wirksamen Aktivitäten für eine Verhinderung der gesteigerten Kriegsgefahr respektive für eine erweiterte zivile Entwicklung beteiligt.
So ist es auch aktuell bei „Wissenschaftler gegen die Wiederaufrüstung – Ein Manifest“ (s.o.).
Ein gutes Beispiel dafür, wie „kollektive Befangenheiten“ zustimmende Begründung aus dem Bereich der Hochschulen erfahren.
Hier wiederum sollte sich ebenso neu Aufgewecktes regen. Das universitäre Leitbild, das „Leitbild Lehre“, die Zivilklausel am MIN-Bereich sowie die Verpflichtung der Uni zu den 17 Nachhaltigkeitszielen der UNO bieten dafür eine gute kombinierte Grundlage.
Die Akteure der Wissenschaften können und sollten eine gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen, die in dem erkenntnisbildenden Auftrag der Wissenschaften begründet liegt und eine dauerhafte konstruktive Herausforderung für produktives geistiges Schaffen darstellt.
Das Gute zum Besseren hin ist nicht zuletzt eine eingreifende geistige Anstrengung. Also weit mehr als ein bloßer „moralischer Reflex“! Ein Ernstfall, der Freude bringt.