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Schlechte Gewohnheiten, gute Gewohnheiten

Über die Eindämmung hinaus

„Ich glaube ohnehin, dass das größte Problem zuletzt gar nicht die wenigen verbliebenen Maßnahmen waren, sondern die Kraft der Gewohnheit. (…)
Die Frage war eher, ob man es auch machen wollte [z.B. ins Theater gehen]. ›Lieber noch ein wenig warten‹, mahnt der innere Lauterbach in uns. Aus Angst, Sorge oder anhaltender Umsicht. (…)
Zu Hause ist es doch auch schön – das mussten wir uns über viele Monate einreden. Und glaubten irgendwann selbst an diesen Gassenhauer des Biedermeiers. (…)
Viel schwieriger, als ein paar Maßnahmen auslaufen zu lassen, scheint zu sein, dass wir uns aus der geistigen Hospitalisierung befreien und uns selbst in die Aktivität entlassen. Dass Deutschland vom Sofa runterkommt. Zurück in die Museen, Theater und Stadien, in die Bars und Konzerthallen.
Kultur statt Netflix sozusagen.“

Markus Feldenkirchen, „Der gesunde Menschenverstand/Zurück ins Leben“, SPIEGEL“ Nr. 8/19.2.2022, S. 25.

„Freitag: Mit einer Alternativkonzeption allein macht man keine Politik.
Roth: Das stimmt, aber es gibt soziale Prozesse, beispielsweise bei den Gesundheitsarbeiterinnen und -arbeitern, die am Rande ihrer Möglichkeiten angekommen sind, die erschöpft sind, die nach Alternativen suchen und soziale Kämpfe führen - ein Beispiel sind die starken Streikkämpfe an der Charité der vergangenen Jahre. Hier wäre anzuknüpfen: am sozialen Widerstand gegen die Absurditäten der Pandemiebekämpfung, an den notwendigen Alternativentwürfen für eine Rekommunalisierung des Gesundheitswesens, an den Kämpfen für eine materielle Aufwertung der Gesundheits- und Pflegeberufe.“

Der Arzt und Historiker Karl Heinz Roth im Gespräch mit „der Freitag“, Nr. 7/17.2.2022, S. 6 u. 7, hier S.7.

„Teures Leben; für die wenigen, denen es anschlug, das beste Leben, aber gar keines für die Mehrzahl. Daher viele Selbstmörder und andererseits unsichere Straßen. Beides, die Versündigung am eigenen Leib wie auch die kriminellen Raubüberfälle, erklärt man gewöhnlich durch einreißende Mißachtung der Religion und offene Auflehnung gegen den geordneten Staat.“

Heinrich Mann, „Die Vollendung des Königs Henri IV“, 1938 / Düsseldorf 1976, S. 316f.

Unabweisbar ist: Die Lockdown-Politik zur Niederhaltung der Corona-Pandemie hat insgesamt viele Schäden angerichtet.

Die Einschränkung der Grundrechte, die – vorsichtig gesagt – nicht immer verhältnismäßig angeordnet worden ist, hat das politische Leben der Republik empfindlich minimiert. Kurzarbeit und Insolvenzen (private wie in vielen kleinen Betrieben) führten zu sozialen Deformationen. Soziokulturelle Isolation, Angst und Entfremdung sind gesellschaftlich weit verbreitet. Nicht zu vergessen ist dabei, daß die Digitalisierung (Home-Home) von großen Geschäftsinteressen begleitet ist. Diese sozialen und mentalen Schädigungen sind dringend zu heilen.

Ein tieferes Verständnis der Grundrechte – einschließlich der Menschenwürde und des Friedensgebots des Grundgesetzes – sind sicher hilfreich gegen Braunes und extrem Lautes aller Art. Ein erweitert gerechtes Verlangen (Soziale Sicherungen, Arbeit, Löhne, Mitbestimmung) nach souveräner gesellschaftlicher Existenz kann alltägliche Beklemmungen lösen. Die Aufwertung von Kunst, Kultur, Bildung und (kritischer) Wissenschaft gibt Sinn, Perspektive und, ja, auch Lebensfreude.

Die „Digitalisierung“ sollte dringend nüchtern rationalisiert und auf ihren tatsächlichen Nutzen reduziert werden, um Kosten und Dekultivierung zu sparen.

So mag auch die (Wieder-)Öffnung der Hochschulen betrachtet und gestaltet werden.

Sie sind ein kultureller Organismus der lernenden und gestaltenden Begegnung. Eine angemessene Finanzierung, die Studienreform (Master als Regelabschluß ohne Drangsal), die soziale Absicherung der Studierenden, die Steigerung der gesellschaftlichen Verantwortung von Bildung (UNO-Nachhaltigkeitsziele) gehören zu ihrer nächsten und weiteren Entwicklung, die von ihren Mitgliedern zu realisieren sind.

Das Erheben von Sofa und Schreibtischstuhl vor dem Monitor, der Schritt vor die Tür, das „Hallo zur Welt mit ihren Menschen!“ sei der Weg zu einem angenehmeren praktischen Verständnis aufgeweckter Persönlichkeiten.
Vorwärts: Zurück ins Leben!