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2020 – den Umbruch souverän gestalten

„Die zornigen Zwanzigerjahre werden geprägt sein von den Abwehrkämpfen derjenigen, die ihre Mühen noch in die Gesellschaft des 20. Jahrhunderts investiert haben.
Sie fühlen sich wie bei der »Umweltsau« oder »Ok Boomer« von Kleinigkeiten zutiefst angegriffen, denn sie fechten auf diese Weise Scheinkonflikte aus. Die echten erscheinen ihnen meist zu schmerzhaft, um sie ernsthaft zu diskutieren.
Eigentlich steht dahinter die Verzweiflung einer untergehenden Epoche: Meine Arbeit soll nicht fehlinvestiert gewesen sein, mein Leben soll nicht falsch gelebt worden sein, ich möchte gefälligst eure Anerkennung für meine tolle Lebensleistung! Es vermischen sich Klimakonflikte, Kapitalismuskonflikte, Migrations-, Kolonialismus- und Rassismuskonflikte, Digitalkonflikte, Bildungskonflikte, Geschlechterkonflikte, Sexualkonflikte, Kulturkonflikte und vieles mehr, was die Jahrhunderte so deutlich unterscheidet.“

Sascha Lobo, „Die zornigen Zwanziger“, Spiegel-Online, Kolumne, 1.1.2020.

„Alle Emanzipation ist Zurückführung der menschlichen Welt, der Verhältnisse, auf den Menschen selbst.“

Karl Marx, „Zur Judenfrage.“, MEW 1, S. 370, 1844.

Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ), ein konservativ-liberales Presseorgan ohne grundstürzende Ideen, fragte kurz vor dem Jahreswechsel „Warum die Welt 2019 in Flammen stand“. Zwei Gründe werden angegeben: Die Herrschenden haben – in Diktaturen und Demokratien gleichermaßen – mit der Ausnutzung der Bevölkerungen übertrieben. Zweitens: Die soziale Ungleichheit ist nahezu überall unerträglich geworden. Aufstände und massive soziale Bewegungen in Sudan, Iran, Chile, Frankreich und vielen anderen Ländern haben gemeinsame Ursachen und Perspektive: die Menschenwürde gegen dauerhafte, teils schwerste Verletzungen durchzusetzen. Weil die Herrschenden und Mächtigen in Wirtschaft und Politik die Zeichen der Zeit nicht erkennen, prognostizieren die „NZZ“-Autoren, daß sich der Graben zwischen Arm und Reich vergrößern und es daher für die Verantwortlichen vielerorts ungemütlich werde.

Bemerkenswert ist auch, wie die Journalisten berichten, daß in allen Ländern, in denen sich Massenbewegungen entwickelt haben, der Anteil der Studierenden daran enorm gewachsen ist. Sie führen dies darauf zurück, dass sich Frust einstelle, wenn die Ausbildung nicht zu erhofftem „Wohlstand und Prestige“ führe.

Wahrscheinlicher ist, dass die qualifizierten, weltoffenen Vielen die Augen vor der multiplen Sinn-, Gerechtigkeits- und Entwicklungskrise der globalen Zivilisation nicht verschließen.

Egoismus befriedigt nicht und befreit nicht. Bildung hat zumeist bzw. wesentlich einen anderen Zweck. Es geht darum, gesundes Leben für Alle möglich zu machen; Ernährungssicherheit herzustellen; Umweltkatastrophen zu bändigen; den Rüstungswettlauf zu beenden; Kolonialisierung aufzuheben; die Macht rechtsextremer Manipulation zu brechen; gemeinschaftlich souverän, nützlich und schön zu produzieren – ohne Zerstörung; sorgfältig und demokratisch zu kommunizieren – ohne Überwachung; Arbeit erfreulich zu gestalten; Armut zu besiegen...

2020 ist jetzt bereits ein Jahr des Umbruchs. Das Neue kommt mit Nachdruck, überall und mit offenen Gesichtern in die Welt. Es hat teilweise erbitterte Gegner. In dieser Kontroverse sollte die Universität ein Ort solidarischer Bildung, kritischer Forschung, souveräner Aufklärung und kultivierten Lebens sein – an jeder Stelle bedacht auf gerechten Frieden als Entwicklung der übergroßen Mehrheit. Das haben wir gemeinsam in der Hand. Zu jeder Zeit.