HomePublikationen › Flugblatt von Liste LINKS, harte zeiten und FSB vom

Hoppla, ein Wendepunkt: Analyse, Kritik und Solidarität!

„Sind wir also schon so angepasst, dass wir froh sind, wenn wir überhaupt Drittmittel bekommen, und so ohne Leidenschaft, dass wir Ideen nicht mehr für ausschlaggebend für jede Art von Forschung halten? Für den »Anpassungsmenschen ohne Leidenschaft«, der in der gegenwärtigen Ordnung der Universität in Deutschland zum herrschenden Typus zu werden scheint, verlieren Ideen und Leidenschaft an Bedeutung. Wie sollte man auch mit Leidenschaft Anträge bei einer Erfolgsquote von elf Prozent stellen? Eines jedenfalls steht fest: Solange die Universitäten den Typus des Anpassungsmenschen ohne Leidenschaft fördern, dürfte sich an der gegenwärtigen Misere wenig ändern.“

Christine Landfried, Uni 2009: Anpassungsmenschen ohne Leidenschaft, Blätter für Deutsche und Internationale Politik, Berlin 09/2009, S. 36-39.

Eine neue Zeit ist angebrochen. (Schon wieder?)

Auch Konservative und Wirtschaftsliberale müssen der verbreiteten Kritik am Neoliberalismus – weitgehend proklamatorisch – nachgeben. Nur so ist zu erklären, daß notorisch konservative Beharrungskräfte die Notwendigkeit von Mitbestimmung und Reformen am Ba/Ma-System sowie bundesweit auch der Abschaffung von Studiengebühren einräumen. Die Opposition drängt wesentlich weiter. Aus diesem Gegensatz soll ein deutlicher Umbruch werden:

Seit der 1982 ausgerufenen „geistig-moralischen Wende“ (Helmut Kohl, Bumbeskanzler, CDU) wuchs neoliberaler Zeitgeist – in Ideologie, Politik und gesellschaftlicher Praxis.

Das schlichte Motto war: Was „der Wirtschaft“ nützt, nütze allen oder: Es zähle, was hinten dabei rauskomme. Die Vulgarität der Output-Orientierung wurde noch überboten von der Rücksichtslosigkeit, mit der die besagte private Ökonomie zu Lasten der Mehrzahl Gewinne gescheffelt hat und damit soziale und kulturelle Errungenschaften schädigte.

Die Entdemokratisierung der Hochschulen, die Einführung von Studiengebühren und die inhaltliche(!) Kommerzialisierung von Bildung- und Wissenschaft (durch Drittmittel, Sponsoring, Rankings und rein berufsorientierte Ausbildungsstudien) sind durch den Kohl der dann folgenden 16 Jahre vorbereitet und teilweise umgesetzt worden.

Eine zweite negative Zäsur begann mit den 1990er Jahren und dem Ausrufen der „Neuen Weltordnung“ bzw. der dogmatischen Behauptung vom „Ende der Geschichte“.

Das universelle aufgeklärte bildungswissenschaftliche Erbe (etwa Lessings, Schillers, der Humboldts und der verfemten 1968er) sollte in den Orkus verschwinden anstatt für und durch die Mehrheit der Menschen zugänglich gemacht und angeeignet werden zu können.

So ist es nicht gekommen. Die provokant wirtschaftshörige Drangsalierung von Bildung und Wissenschaft hat in zahlreichen Universitäten zunehmend Opposition auf den Plan gerufen. Schritt für Schritt haben die Kräfte humanistischer Opposition und Verwertungskritik eine solidarische Alternative gebildet. (In Hamburg trotz Dräger, Schill und alledem.)

Diese als Prinzip sozial verantwortlicher Aufklärung zu verallgemeinern, steht nun prinzipiell auf der Tagesordnung.

Dagegen ist falsch und unvernünftig, inhumane Strukturen und Auffassungen zu verteidigen (also: Verwalten, „Reformieren“, „Optimieren“, Erdulden, Ducken) und schönzureden.

Denn auch die Bedingungen von Lehre, Studium, Forschung und Selbstverwaltung – in einer Gesellschaft im Umbruch – sind also menschlich zu gestalten.

Engagierte Wissenschaft ist kritisch. Sie muß aufschluß- und hilfreich sein. Sie hat den Menschen als soziales, kommunikatives und kooperatives Gattungswesen als Ausgangspunkt und Ziel. So gelingt kollektive Selbstverwirklichung: Ohne Frieden ist alles nichts.