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Soziale Veränderung der Wirklichkeit – Ein reines Ideal?

„Unsere Hoffnungen werden privatisiert. Überall auf der Welt, vor allem aber in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien, findet eine seismische Verschiebung statt, durch die Bestrebungen und Kompetenzen von der größeren Gesellschaft in unsere individuellen Universen verlagert werden. Die Abtrennung der individuellen Erwartungen von der sie umgebenden Welt verändert beide. […] Es ist nicht so, dass wir in der vergangenen Generation alle Hoffnung verloren hätten; vielmehr gibt es einen aufreizenden Überfluss an Hoffnungen. Unter Druck geraten ist hingegen jede Art von Hoffnungen, die sozial ist, die Welt freier, demokratischer, friedlicher und lebenswerter zu machen.“

Ronald Aronson: Die Privatisierung der Hoffnung. Boston Review, April 2016.

Der Autor ist nicht nur emeritierter Professor für Ideengeschichte an einer US-amerikanischen Universität, sondern auch Unterstützer der sozialen Aufbrüche um Bernie Sanders (USA) und Jeremy Corbyn (UK). Schon der Titel seines neuesten Buches deutet auf die Alternative zur kritisierten kulturellen Hegemonie des Egoismus hin: „We. Reviving Social Hope“. Die wissenschaftliche Analyse dient der besser begründeten Praxis für eine menschenwürdige Welt.
Das aufgeworfene Problem ist Teil einer epochalen Krise. Unzweifelhaft sind Ungleichheit, Kriege und politische, soziale, ökonomische, kulturelle und ökologische Krisen heute globale Gemeinschaftsprobleme. Sie können nur gemeinsam gelöst werden. Überall und jederzeit.
Dagegen flüstern vielfach medial-industrielle Einreden für die Privatisierung jeder Hoffnung: Denk positiv! Sei achtsam mit Dir! Sorge für Deine Gesundheit! Lerne für Deinen Erfolg! Mache Dich attraktiv für andere! Gründe eine Familie! Kauf‘ Dich glücklich! Arbeite fleißig! Nutze Deine Freizeit, um Dich zu verbessern! Demonstriere Dein Glücklichsein! – Dann entkommst Du der Einsamkeit. Dann beherrschst Du Dein Leben. Dann…
Ja, was dann? Der Ertrag dieser Propaganda liegt eher in den Geschäftsbüchern von Pharma- und Sportartikelherstellern, von Verlagen von Lifestylezeitschriften und (esoterischer) Ratgeberliteratur, bei Haarshampoo- und Lebensmittelindustriellen oder Möbelunternehmen als bei den so traktierten Menschen und der Gesellschaft als sozialer Ganzheit.
Das „Do-it-your-self“ verstellt den Blick auf Fairness, Kollegialität, Solidarität, Diskursivität, kooperatives Lernen, Wissenschaft, Künste, Philosophie, Geschichte und Literatur sowie auf organisierte Interessenvertretung. All dies sind die objektiven produktiven Möglichkeiten, das gemeinsame Leben positiv zu verändern – und dafür auch solidarisch im Konflikt schwerwiegende politisch-soziale Hindernisse und alltägliche Anforderungen zu überwinden.
Wer dies befürwortet, ist der Lösung des Knotens schon sehr nahe.
Idealismus?
Wenn ein Ideal menschenfreundlich bzw. bewegend ist und von vielen tatkräftig bestimmt und verfolgt wird, wird alles wirklich anders: Der Alltag und das größere gesellschaftliche Ganze. Die Studierendenschaft und die Universität sind Zusammenhänge, die dafür geschaffen sind und genutzt werden sollten. Anfänge dafür sind gut erkennbar. Das mag auch bei den derzeitigen Wahlen überzeugte Gültigkeit haben.