HomePublikationen › Flugblatt von Liste LINKS und harte zeiten vom

Ein problematischer Anachronismus

Zu den „Ziel- und Leistungsvereinbarungen“ zwischen Senat und Universität

„Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Hamburg pflegt die Universität Hamburg ihre Kooperation mit der Wirtschaft insbesondere im Raum Hamburg. Sie unterstützt aktiv den Aufbau von Netzwerken zwischen Wissenschaft sowie Wirtschafts- und Arbeitswelt. Die Struktur- und Entwicklungspläne der Fakultäten sollen auch auf diese Form der Kooperation eingehen.“

„Ziel- und Leitungsvereinbarungen“ der Universität Hamburg mit der Behörde für Wissenschaft und Forschung (BWF) für das Jahr 2008.

„Er war eitel wie ein Chirurg, rechthaberisch wie ein Jurist und gutmütig wie ein Scharfrichter nach der Hinrichtung.“

Kurt Tucholsky, „Schnipsel“, 1932. html

Die sogenannten Ziel- und Leistungsvereinbarungen (ZLV) zwischen Universität und Wissenschaftsbehörde sind eine technokratische Unsitte, deren Einführung mit dem Amtsantritt der CDU/Schill/FDP-Regierung 2001 inhaltlich eng verbunden ist. Mit diesem „Steuerungsinstrument“ wollte der Wissenschaftsmanager Jörg Dräger (demnächst Geschäftsführer des „Centrums für Hochschulentwicklung“ der Bertelsmannstiftung) seiner wissenschafts- und menschenfeindlichen Politik einen demokratischen Anstrich verleihen. Dieser durchschaubaren Absicht wurde aus der Universität, insbesondere durch scharfe Kritik von Studierenden, mehrfach widersprochen.

Trotz wenig transparenter Verfahren wurde deshalb – neben der verlangten Dienstbarkeit für die Handelskammer gemäß dem Senatsleitbild der „Wachsenden Stadt“ – bisher auch das „Leitbild“ der Universität mit seinen vernünftigen Zielen von Bildung- und Wissenschaft als Maßgabe für die künftige Entwicklung der Universität benannt. (Z.B.: „Bildung mündiger Menschen“, Entwicklung der Wissenschaften „in gesellschaftlicher Verantwortung“ oder die Berücksichtigung der sozialen Belange der Studierenden. Vgl. „Leitbild“ www.uni-hamburg.de/uhh/profil/leitbild.html)

Mit dem nun seit über einem Jahr gemeinsam amtierenden neuen Leitungsduo der Universität, der konservativen Präsidentin Auweter-Kurtz und der neoliberalen Kanzlerin Vernau, hat der bisherige Senat allerdings enge Geistesverwandte. Infolge dessen ist nunmehr der einzige dieser „Vereinbarung“ ablesbare Zweck der Universität, durch Forschung und Ausbildung „Output“ für die Hamburger Privatwirtschaft zu produzieren. (Zu diesem neuen „Führungsstil“ gehört im übrigen, daß die schon unterschriebene ZLV dem Akademischen Senat kommentarlos als Tischvorlage untergeschoben wurde.)

Das ist als negative Tendenz nicht neu, aber noch nie so ungehemmt seitens der Universitätsleitung befördert worden. Vor allem aber wird dadurch dem gesellschaftlichen wie universitären Bedürfnis nach einer menschenwürdigen Entwicklung von Bildung und Wissenschaften sowie ihren Institutionen scharf zuwidergehandelt. Das bildet auch einen Gegensatz zu dem durch die Bürgerschaftswahlen ausgedrückten Begehren nach einer sozial verantwortlichen Trendwende (nicht nur) in der Bildungspolitik.
Die derzeitige Universitätsleitung sollte also dringend achtsam sein, diese Anliegen zu berücksichtigen.

„(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 5, Abs.3, Satz 1.

Die Verwirklichung dieses Grundsatzes erfordert weiter engagierte Opposition für eine von ökonomischer und politisch-konservativer Gängelung befreite wissenschaftliche und künstlerische Entwicklung der Einzelnen und des Ganzen.


P.S.: Die „Ziel- und Leistungsvereinbarungen“ sind auf der Homepage der BWF vollständig nachzulesen. http://www.hamburg.de/behoerden