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„Das Hamburger Totengericht“
„Es findet sich mehr zusammen, um die politische Bewegung, von der wir sprechen, die nationalsozialistische, vom Geistigen her zu stärken. Dazu gehört eine gewisse Philologen-Ideologie, Germanisten-Romantik und Nordgläubigkeit aus akademisch-professoraler Sphäre, die in einem Idiom von mystischem Biedersinn und verstiegener Abgeschmacktheit mit Vokabeln wie rassisch, völkisch, bündisch, heldisch auf die Deutschen von 1930 einredet und der Bewegung ein Ingrediens von verschwärmter Bildungsbarbarei hinzufügt, gefährlicher und weltentfremdender, die Gehirne noch ärger verschwemmend und verklebend als die Weltfremdheit und politische Romantik, die uns in den Krieg geführt haben.“
Thomas Mann, „Deutsche Ansprache - Ein Appell an die Vernunft“, 1930.
„Mit derselben eigenartigen Betonung wie zuvor, doch mit einer eher gelangweilten Stimme folgt seine Reaktion: ›Verzeihung, Herr Doktor Anecker – Sie sind Marxist?‹“
Wolfgang Beutin, „Das Hamburger Totengericht“, von Bockel Verlag 2011, S. 226.
Es gibt sie nicht mehr, die mehr oder minder verkleideten Alt-Nazis oder die bis streng deutschnational verstockten Konservativen alter Schule, die nach dem positiven Bruch von 1945 zu Hauf noch die bundesdeutschen Universitäten bevölkerten und selbst nach den lüftenden Winden von 1968 noch nicht gänzlich aus den Wissenschaften vertrieben waren.
Dennoch beweist die schmierige Causa Guttenberg – Krieg und Lüge! –, daß mit deutscher Wissenschaft viel schöner Schein auf der Bühne respektive viel Gemauschel, Gemunkel und Manipulation in verstaubten Kulissen – auch mit modernster Technik – betrieben wird.
Das macht die Causa Dr. Anecker, so heißt der Protagonist der realistischen Fiktion von Wolfgang Beutin, so erfrischend zeitnah.
Anhand eines „Traums“, in dem sich die Hauptperson tot wähnt und folglich in mehreren längeren Episoden vor dem „Totengericht“ seine Sache ausficht, wird das Bemühen Dr. Anekkers lebendig nachgezeichnet, gegen Ignoranz und Intrigen der Kollegenschaft Aufklärung, Vernunft, historisches Bewußtsein sowie gesellschaftliche Verantwortung in Forschung, Lehre und Studium in der hamburgischen Literaturwissenschaft zu verankern. Unterstützt wird Anecker dabei von seinem Mentor Professor Haffner, den Studentinnen und Studenten und von seiner Lebensgefährtin. Vor Gericht ist der solide Beistand der Rechtssekretär Eigensinn.
Die professoralen Kontrahenten heißen mit sprechenden Namen Ayertänzl, Unmütel, Marinelli, Wänstle, Capon, Wellfleisch und Zahnstein. Dazwischen agiert wenig rühmlich der Uni-Präsident namens wie namensadäquat Trarawedler.
Der Prozeß wird im Verlaufe der Erzählung umgewandelt von einer Anklage gegen Anecker wegen Schlechtmachung der Professorenschaft in eine schließliche Anklage gegen die Machenschaften und auch wissenschaftliche Inkompetenz der Kontrahenten, ebenso die mangelhafte Verfaßtheit der Universität.
Das Buch ist ein Plädoyer für die Aufklärung und eine wirklich demokratische Universität. Es ist eine heitere Geschichte. Man sollte sie hören.
„Das Hamburger Totengericht“
Wolfgang Beutin liest aus seinem Roman
Mittwoch, den 29. Juni 2011, 20 Uhr im Hörsaal Phil D