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Geist und Tat: Über Einheit und Wert der Kultur

„Es kann bedeuten, dass das Schauspielhaus 1,2 Millionen Euro einsparen muß, man kann aber auch darüber nachdenken, wie es seine Einnahmen um 1,2 Millionen Euro erhöhen kann. Das ist bei einem Haus, das mehr Zuwendungen bekommt und mehr Plätze hat als andere Häuser, eine lösbare Aufgabe, wenn es denn häufiger mal vor vollem Saal spielen würde.“

Jens Kerstan, Finanzpolitischer Sprecher der GAL-Bürgerschaftsfraktion, Hamburger Abendblatt, 16.10.2010.

„Denn das Wort ist der Feind des Geheimnisvollen und ein grausamer Verräter der Gewöhnlichkeit.“

Thomas Mann, „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, 1954.

Wieviel Marktschreierei und wie viele Tingeltangel-

Erfolge vertragen Kunst und Wissenschaft?

Im besseren Falle sind sie beide Systeme der menschlichen Selbsterkenntnis respektive zivilisierter Entwicklung: durch analytische Verdichtung und typische Versinnbildlichung machen sie das Wesentliche sichtbar, erfassen und kritisieren die Zusammenhänge des sozialen Lebens und machen sie somit erkenn- und veränderbar. Eine bessere Orientierung des Menschen auf den Menschen gibt es nicht.

Die Voraussetzungen dieser humanistischen Tätigkeit sind allerdings unter den Diktaten der „Freiheit“ – wenn sich private Geldgeber die Professor/innen, den „Nachwuchs“, die Forschungsergebnisse kaufen, wenn Gebühren das Erkenntnisinteresse lenken sollen, wenn die Lehre nach Noten das Studium nach formalen Anordnungen nahelegt, wenn die Musical-Säle RTL-beworben gefüllt und die Theater finanziell trockengelegt werden – wenig vorhanden.

Nachdem die Öffentlichkeit medial in die Irre geleitet wurde, wird nun offenbar, daß auch die Hochschulen erheblich zu dem 406 Millionen Euro Kürzungsprogramm des schwarz-grünen Senats beitragen sollen. Ähnlich wie das Schauspielhaus hat die Universität seit Ende der 1990er Jahre keine Etat-Erhöhungen mehr erhalten, nicht einmal einen sinnvollen Ausgleich wachsender Betriebskosten. Daher wurden ca. 40 Prozent der Stellen in Forschung und Lehre in den Human-/Kultur-/Sozial-Wissenschaften weggestrichen. (Andere Bereiche sind weniger, aber auch betroffen.)

Nun soll die Uni 12 Millionen Euro jährlich bis 2014 „einsparen“: durch die Streichung von Stipendien für ausländische Studierende, durch die Finanzierung der Verwaltungskosten für die Studiengebühren und die Zinsen für die Stundungskredite, die bei der Wohnungsbaukreditanstalt anfallen, durch den Wegfall des Weihnachtsgeldes höher besoldeter Beamtinnen und Beamten etc.

Die Hochschulen sollen also ein weiteres Mal in die sklavische Nähe zu privaten Geldgebern aus „der freien Wirtschaft“ gedrückt werden, wie die Künste in der Stadt. Die Selbstbehauptung auf dem Markt und die Anbetung der ökonomischen Elite sind allerdings – das sollte die Weltwirtschaftskrise ausreichend bewiesen haben – schlecht bekömmlich.

Die Emanzipation zu aufgeklärten und mündigen Persönlichkeiten in einer menschenwürdigen Gesellschaft ist die wesentliche Aufgabe von Kunst und Wissenschaft.

In diesem Sinne realisiert die Universität ihre gesellschaftlichen Aufgaben also am besten gemeinsam mit anderen, die in gleicher Verantwortung stehen und ähnliche Möglichkeiten für eine gesellschaftliche Verwirklichung von zivilisierter Internationalität und humaner Vernunft haben.

Das ist ein sinnvolles Programm – auch schon für das Wintersemester.