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Wer den Kopf hebt, blickt weiter
„Denn es ist eine Kluft zwischen oben und unten, größer als
Zwischen dem Berg Himalaja und dem Meer
Und was oben vorgeht
Erfährt man unten nicht
Und nicht oben, was unten vorgeht
Und es sind zwei Sprachen oben und unten
Und zwei Maße zu messen
Und was Menschengesicht trägt
Kennt sich nicht mehr.
Die aber unten sind, werden unten gehalten
Damit die oben sind, oben bleiben.
Und der Oberen Niedrigkeit ist ohne Maß
Und auch wenn sie besser werden, so hülfe es
Doch nichts, denn ohnegleichen ist
Das System, das sie gemacht haben:
Ausbeutung und Unordnung,
tierisch und also
Unverständlich.“
Bertolt Brecht, aus: Heilige Johanna der Schlachthöfe, 1931.
Es war spannungsreich still, als der Schauspieler Rolf Becker diese Verse vor den Demonstrierenden, die sich am 30. September in der Innenstadt versammelt hatten, vortrug. Die Vandalenmentalität, mit der die amtierende Regierungskoalition aus CDU und GAL gegen die kulturellen und sozialen Belange der Hamburgischen Bevölkerung vorgeht, ist ohnegleichen drastisch. Der Widerstand bekommt durch Zusammenwirken seine Richtung. Deshalb protestierten knapp 20.000 Menschen gegen die asoziale Kürzungswillkür und für Umverteilung des erheblichen Reichtums der Hansestadt: von Oben nach Unten. Weiterhin sind die sinnvollen Vorschläge dafür: die Erhebung von Steuern auf große Vermögen, eine scharfe Steuerprüfung bei Unternehmen und Reichsten (anstelle z.B. einer strikten Kontroll- und Abschiebungspolitik gegen Zuwandernde) und die Auflösung der nicht zuletzt durch Privatisierungen gebildeten Rücklagen der Freien und Hansestadt.
Bei der Abschlußkundgebung sprachen Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften, Elternverbänden, Studierenden und Schülern, Repräsentanten des Schauspielhauses, des Altonaer Museums sowie verschiedener sozialer Initiativen und Träger. Sie machten exemplarisch deutlich, daß die geplanten Einschnitte in Bildung, Kultur und Soziales nicht allein die Lebensqualität von abonnementsversorgten Museumsgängern und Theaterbesuchern betrifft, sondern gezielt die niedrigsten Einkommensgruppen traktiert - durch die Streichung von speziellen Förderungen ebenso wie durch die Zerstörung von institutionellen Kooperationsmöglichkeiten in der aktiven und gemeinschaftlichen Aneignung von Geschichte, Kultur und politischen Einflußmöglichkeiten. Nicht untypisch sind folglich die beabsichtigten Einschnitte beim Studierendenwerk, deren Folge eine Erhöhung der Mensapreise und der Wohnheimmieten um 20 Prozent wäre. Hier wird sich systematisch an den sozial Bedürftigen vergriffen.
Meint der Senat, daß er mit dieser zynischen Politik verschiedene Bevölkerungsteile und -gruppen gegeneinander ausspielen kann? Oder setzt er darauf, daß keine relevante Gegenwehr zu erwarten sei? Baut er z.B. auf die Macht der Investoren, die auf die „Immobilie“ Altonaer Museum gieren? Sollen soziale und kulturelle Gräuel gegen die Menschen quasi als permanente Live-Operette mithilfe eines polizeilichen Ordnungsstaates (inkl. Polizeiorchester) inszeniert werden?
Hat da möglicherweise jemand die freche Rechnung ohne die verärgerte Bevölkerung gemacht?
Die Aktion „Gerecht geht anders“ war ein Signal für einen Neubeginn: Für das Ende der Bescheidenheit, durch kollektives politisches Eingreifen, mit einer solidarischen Diskussions- und Bewegungskultur. Dazu können und sollten Wissenschaft und Bildung - auch die studentische Interessenvertretung - erheblich beitragen.
Lernen ist: solidarisch, kritisch und emanzipatorisch - besseres Leben! So kann das Wintersemester heiter beginnen.