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Aufheben, was liegengeblieben ist

„Eine Partei, die neben dem Glauben an die Gesetze auch den Adel verwerfen würde, hätte sofort das ganze Volk hinter sich, aber eine solche Partei kann nicht entstehn, weil den Adel niemand zu verwerfen wagt.“

Franz Kafka, „Zur Frage der Gesetze“, 1920.

Mag wirklich niemand Falsches verwerfen?

Zur (Un-)Zeit werden progressive Veränderungen von manchen mehr gefürchtet als das Unheil. Das ist ein gewichtiger Grund, warum die schwarz-grüne Koalition reanimiert werden konnte.

Gleichwohl haben die Bürgerinnen und Bürger der Stadtrepublik und darin die Universität mit engagierter Partizipation am öffentlichen Leben positiven Einfluß: In der Bürgerschaftssitzung wurde nach der gespenstischen Senatswahl (ohne Programm, ohne Vorstellung der Kandidaturen, ohne Aussprache - ein erstarrtes Ritual) über die bauliche Entwicklung der Universität diskutiert. Erfreulicherweise ist gar zur CDU durchgedrungen, daß die Uni das alte Fernmeldeamt in der Schlüterstraße schnell braucht, um sich vor Ort vernünftig zu erweitern. Die GAL hat betont, daß der Beschluß des Akademischen Senats für die geschichtsbewußte Sanierung und stadtteilintegrierte, demokratisch realisierte Uni-Entwicklung ausschlaggebend war, die Verlagerung abzulehnen.

Das ist löblich, denn der Akademische Senat hat sich auch etliche Male gegen Studiengebühren ausgesprochen - somit ist also lohnend, den Druck auf die Regierung zu erhöhen, damit dieses falsche System durch eine öffentliche Bedarfsfinanzierung der Universität ersetzt wird. (Bewegung, AS und Uni-Leitung sollten erneut in dieselbe Richtung wirken. Die parlamentarische Opposition ist hier auch mit von der Partie.)

Die Gebührenfreiheit, die am 25.8.2010 gegenüber der Bürgerschaft mit der Übergabe von 31.378 Unterschriften durch Studierende gefordert wurde, ist ein notwendiger Beitrag zur Herstellung demokratischer Verhältnisse und wissenschaftlicher Souveränität an der Universität, denn als „Lenkungsmittel“ sind die Gebühren gegen Kritik, Partizipation und soziale Offenheit gerichtet. Das sollte auch bei der dringenden Novellierung des Hamburgischen Hochschulgesetzes (HmbHG) zur Geltung gebracht werden. Auf Basis der Stellungnahmen aus Studierendenschaft, Fakultäten und Personal müssen darüber hinaus - die Behörde will alle mit minimalen Partizipationszugeständnissen auf Institutsebene abspeisen - die Forderungen nach Abschaffung des autokratischen Rats der Manager (Hochschulrat), nach Beschlußkompetenzen für gewählte Gremien und nach Überwindung der konkurrenzverschärfenden Out-Put-Doktrin intensiviert werden.

Auch die Studienreform für eine Erneuerung wissenschaftlichen und sozial verantwortlichen Lernens ist eine gemeinsame Angelegenheit der Universität, die aus den Fachbereichen heraus gemeinsam öffentlich artikuliert werden muß. Sämtliche Restriktionen müssen fallen. Freie Seminarwahl sowie keine Gängelung durch Module und Regelstudienzeiten sind Möglichkeiten wissenschaftlichen Lernens, die neu erstritten werden müssen. Insbesondere die Zulassungsbeengung zum Studium und zum Master muß überwunden werden, denn von diesem künstlich geschaffenen Nadelöhr geht ein garstiger Konkurrenzdruck aus, der Mündigkeit, Solidarität und Kritik erschwert. Eine universitätsweite offene Aussprache zu Inhalt, Art und Weise sowie Form der Wissenschaften steht auf der Tagesordnung.

Es ist offenkundig, daß die Regierungskoalition Mühe hat, arbeitsfähige Senatoren zu finden. Bundesweit verlassen konservative Politiker das Schiff, daß sie selbst leck geschlagen haben. Es kann daher als mutig gelten, wenn Herlind Gundelach die maximal anderthalb letzten Jahre ihrer Amtszeit dafür nutzt, bisher nicht Realisiertes zu wagen.

Die Mitglieder der Universität sind nun gefragt, dem Bedürfnis nach Verbesserungen verstärkt Ausdruck zu verleihen. Was anders werden soll, liegt in den Händen derer, die dies erkennen, wollen und mitteilen.