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Ist Technik die Lösung?

Zweifel sind abgebracht

Rationale Entscheidung
„Bisherige Gewissheiten scheint nun die Künstliche Intelligenz zu erschüttern. Wäre eine KI als Kanzlerersatz denkbar, die nach programmierten humanistischen Idealen entscheidet?
Wir sind mitten in einem großen Kulturkonflikt. Wie der ausgeht, davon hängt sehr viel ab. Ob wir Künstliche Intelligenz ganz als Akteur sehen, als weise, wissende und urteilende Instanz oder als bloße Tools, die wir zum Guten oder Schlechten einsetzen können. Ich bin als Humanist – der Digitale Humanismus ist ja mein Projekt – der Meinung, wir müssen ganz klar die Entscheidung treffen: Es geht lediglich um digitale Tools. Nichts anderes. Da ist keine höhere Weisheit dahinter. ChatGPT ist nichts anderes als ein exzellentes auf Wahrscheinlichkeit von Wortfolgen beruhendes Amalgam von Sätzen, Äußerungen, Behauptungen, die in Texten enthalten sind, auf denen diese Systeme trainiert wurden. Und wo diese Texte in die irre gehen, gehen die Systeme in die Irre. Sie entfernen sich dann weit von den Fakten.“

Der Philosoph Julian Nida-Rümelin im Interview mit „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 15.8.´23, S. 13.

Menschenbild
„Ja, die Künstliche Intelligenz ist letztlich ein stochastischer Papagei…
...sie plappert nur nach, was andere gesagt haben. Jetzt sagen Sie bloß noch, die Künstliche Intelligenz habe auch kein Bewusstsein?
Natürlich nicht. Wer im Moment von Bewusstsein redet, unterliegt einem Wunschdenken oder hat eine sehr seltsame Vorstellung von Bewusstsein. Ein Algorithmus kann keine eigene Intentionalität haben. Vielleicht kann er schon bald täuschend echte Filme drehen. Aber eine Leiblichkeit und eine Sozialität, das wird der Algorithmus nicht haben. Das ist das Schöne an der Debatte: Man fängt oft mit Künstlicher Intelligenz an und endet bei der Frage, was uns zum Menschen macht. Das freut mich als Ethikerin.“

Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, sie lehrt Ethik der Medizin an der TU München, im Interview mit „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 27.8.´23, S. 30.

Gefahr
„Leute wie Rockefeller [Standard Oil] waren extrem erfindungsreich. Rockefeller stand zu seiner Zeit [19. Jahrh.] an der Spitze der Innovationen. Er war aber eben auch ein profitgieriger Monopolist. Das Gleiche gilt für viele der heutigen Techbarone.“

Der Ökonom Daron Acemoglu (Massachusetts Institute of Technology/MIT) im Interview mit „SPIEGEL“ Nr. 35/26.8´23, S. 68 u. 69, hier S. 69.

Aufklärung
„Das älteste Sprichwort ist wohl: a l l z u v i e l i s t u n g e s u n d.“ (248)

Georg Christoph Lichtenberg, „Sudelbücher“, Heft B, 1768.

Die vorrangige Geschäftsidee auch bei den neuesten Sprüngen von Sprachprogrammen für den Computer ist nicht darauf gerichtet, Lesen und Schreiben zu lernen, klüger und selbstbewußter zu machen, die Kooperation zu verbessern, mehr sinnvolle Arbeitsverhältnisse zu schaffen, den Datenschutz zu optimieren, Frieden zu verwirklichen, die Armut zu beseitigen, die Klimakrise zu bewältigen, und alles in allem Allgemeinwohl und Menschenwürde in neuem Anspruch zu realisieren.

Schon jetzt, ganz ohne ChatGPT, verbringen Jugendliche hierzulande durchschnittlich gut fünf Stunden des Tages am Handy, nahezu drei Stunden auf Internetplattformen („soziale Medien“). Lese- und Schreibschwächen, Niedergestimmtheit sowie Vereinsamung und schräge Persönlichkeitsbilder sind die Folge.

Techkonzernen bzw. deren Managements und Aktionären ist das schlicht gesagt wurscht.

Der Mensch, welchen Alters auch immer, ist ein gesellschaftliches (sozial, kulturell, politisch – also gemeinschaftlich) Wesen, das lernt, sich entwickelt und gestaltet.

Und in diesem Sinn und dieser Weise ist allerhand – kooperativ – zu entwickeln und zu verändern.

Die tatsächliche Persönlichkeit in ihrem sozialen Zusammenhang ist durch nichts zu ersetzen. Deshalb bedarf die Entwicklung und Anwendung neuer Technik oder Technologien stets der gesellschaftlicher Zwecksetzungen und Regulierungen. Darin besteht ein permanentes demokratisches Erfordernis. Das betrifft alle gesellschaftlichen Bereiche der Arbeit, der Bildung, der Kultur und der sozialen und gesundheitlichen Daseinsvorsorge.

Das gesellschaftliche Engagement für die dringend erforderliche Verbesserung der Lebensbedingungen nimmt uns ohnehin keine noch so entwickelte Technik ab.

Auch die Wissenschaften leben von der Tatsächlichkeit ihrer handelnden Subjekte, die sich forschend, lernend, bildend für die substantielle Erkenntnisgewinnung – in den besten Fällen – zur verantwortlichen Gestaltung menschenwürdiger Verhältnisse einsetzen. Maschinen können nicht aus der Geschichte lernen und positiv Neues schaffen. Isolation und Einsamkeit lassen sich nur durch sinnvolle menschliche Begegnungen überwinden. Lesen und Schreiben, Kritik und Kooperation lassen sich ausschließlich durch Lesen und Schreiben, durch Kritik und Kooperation lernen. Darin besteht die praktische humane Sinnbildung und die Verwirklichung höherer Zwecke gemeinsamer Entwicklung.