HomePublikationen › Flugblatt von Liste LINKS und harte zeiten mit SDS* vom

Die Verhältnisse

Wie wollen wir leben?

Deutschnational
„Die Widersprüche kristallisieren sich in einer Personalnot, die sich quer durch die staatliche, kommunale und private Daseinsvorsorge zieht. Kitas, Schulen, Pflege, Krankenhäuser, Jobcenter, Polizisten – sie alle drohen nicht mehr halten zu können, was versprochen wurde. Sozialpolitik lässt auf diese Weise die Belastungen des Haushalts wie Hefe aufgehen. (…) Wenn nicht einmal mehr die Landesverteidigung in den Haushalt passt, lebt ein Land über seine Verhältnisse und die Politik in der Illusion, die richtigen Prioritäten zu setzen.“

Jasper von Altenbockum, „Deutschland lebt über seine Verhältnisse“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 4.3.2023, S. 1 (Leitkommentar).

Prioritäten
„Jedes fünfte Kind lebt unter der Armutsgrenze. Der Skandal in einem reichen Land wie der Bundesrepublik ist so himmelschreiend, dass ein Projekt wie die Kindergrundsicherung eigentlich längst umgesetzt sein müsste. Doch Familienministerin Lisa Paus (Grüne) kommt mit ihrem Gesetzesentwurf nicht zu Potte, und nun stehen sie da, die Anwärter:innen für den 424 Milliarden Euro starken Haushalt im Jahr 2024, und halten die Hand auf. An erster Stelle Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der aus dem Schattenhaushalt hinaus weitere zehn Milliarden verlangt, um seine Bundeswehr auszurüsten. Damit tritt er in Konkurrenz zu den Kindern, für die Paus zwölf Milliarden veranschlagt. (…) Selbst Pistorius scheint das Ausspielen von Kindern und Soldaten mittler- weile etwas peinlich zu werden. Das Soziale dürfe nicht unter die Räder kommen, stellte er kürzlich klar – und meinte damit wohl eher: unter Panzerketten.“

Ulrike Baureithel, „Soziales unter Panzerketten“, „der freitag“, Nr. 9 / 2.3.2023, S. 2.

Wider den Heroismus
„Ich sage Ihnen, ich habe es satt, tugendhaft zu sein, weil nichts klappt, entsagungsvoll, weil ein unnötiger Mangel herrscht, fleißig wie eine Biene, weil es an Organisation fehlt, tapfer, weil mein Regime mich in Kriege verwickelt. Kalle, Mensch, Freund, ich habe alle Tugenden satt und weigere mich, ein Held zu sein.“

Bertolt Brecht, „Flüchtlingsgespräche“, entstanden im Exil zu Beginn der 1940er Jahre.

Geschmeidiger Wortwechsel: Auch wenn es jetzt „Bürgergeld“ heißt, so ist Hartz IV mit kleinen Korrekturen nach wie vor Demütigung und Armut per Gesetz geblieben.

Die „Ampel“ sorgt nicht für die Wiederherstellung des Sozialstaates, die öffentliche Daseinsvorsorge, für Frieden, Abrüstung, Entspannungspolitik und internationale Kooperation zur Behebung von Hunger, Elend und Bildungsnot, betreibt keine wirksamen Anstrengungen zur Überwindung der Klimakrise und kommt alles in allem einfach nicht aus dem Neoliberalismus heraus.

Dagegen wächst ein neuer Heroismus. Das Militärische in der Außenpolitik, im Denken, in der Propaganda, im Haushalt, erhält verstärkt negative Bedeutung. Das nimmt dem Sozial-, Bildungs- und Kulturstaat Mittel und politische Relevanz.

Dagegen wiederum sind Mittel, Ideen, Aufgaben und Forderungen in Hülle und Fülle vorhanden:
Kriege sind zu beenden, Entspannung tut Not, Abrüstung – auch intellektuell – steht auf der politischen Tagesordnung und setzte Potentiale für eine kooperative zivile Entwicklung frei. Das Allgemeinwohl läßt sich nicht errüsten oder erbomben. Heroismus ist von gestern.

Auch Steuern lassen sich dort verbindlich erheben, wo satte Gewinne sprudeln. Soziale Sicherungen sind ein gesellschaftliches Qualitätsmerkmal, ebenso wie ein humanes Gesundheitssystem, umfassende Bildungseinrichtungen sowie eine funktionierende Infrastruktur für alle allgemeinen sozialen Zwecke.

Die tatsächliche Verwirklichung dieser menschenwürdigen Zwecke verhindert auch, daß die Ewiggestrigen ihr faules Süppchen auf der berechtigten Unzufriedenheit der Bevölkerung köcheln können.

Pazifismus ist keine Schande, sondern basiert auf der Auswertung historischer Erfahrungen. Ausreichende Löhne, gute Arbeitsbedingungen und aktive Mitbestimmung sind wesentlich berechtigte Anliegen. Ein rationales Verhältnis zur Natur ist zukunftsvoll. Internationale Solidarität ist rundum praktizierte Humanität. Demokratische Partizipation geht über den ritualisierten Raum von Parlamenten und Regierungen hinaus. Sie kann – als Kritik und positive Veränderung – ihren Ort in Bewegungen, (einigen) Parteien und in den Bereichen Wissenschaft, Kunst und Kultur finden. Menschlich ist das allemal. Auf diese Weise ist Gestaltung ein substantielles Bedürfnis. Erkannt und vereint gewinnt es an Bedeutung.