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Öffnung!

Die soziale Frage läßt sich beantworten

Zur Not
„Einen Akzent setzte kürzlich die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen mit ihrer Stellungnahme zur Energiekrise. Sie stellt die negativen systemischen Folgen für Forschung, Lehre und technische Infrastruktur dar. Dabei unterstreicht die Allianz die schwierige Lage der Studierenden. Werden die Studierenden in einen ›Energie-Lockdown‹ geschickt, vervielfachen sich die negativen Auswirkungen der Corona-Lockdowns auf ihr Studium. Seitens der Hochschulen werden solche Warnungen nachdrücklich unterstrichen. (…) Deprimierend sind gerade für den wissenschaftlichen Nachwuchs auch die Aus- sichten beim internationalen Austausch. Dem Deutschen Akademischen Auslandsdienst (DAAD) und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung stehen weitere erhebliche Kürzungen bevor. (…) Angesichts von Energiekrise, Inflation und steigenden Lohnkosten braucht es schnelle gezielte Finanzhilfen für die Absicherung von Wissenschaftseinrichtungen, die ihre Aufgaben durch die Energiekrise gegebenenfalls nicht mehr erfüllen könnten. Sie reichen aber bei Weitem nicht aus. Kurzfristige Maßnahmen sollten auf Bundesebene eingebettet werden in einen Aktionsplan für die Wissenschaft. Dessen Umfang müsste mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr über die nächsten fünf Jahre betragen, um wenigstens den Status quo des Zukunftspotentials der Wissenschaft zu erhalten.“

Gerald Haug (Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina u. Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz), „Kämpft um die jungen Köpfe“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 10.10.2022, S. 9.

Zum Geist
„Was haben Vorschläge zur notwendigen Ordnung des Reichshaushaltes für kommende Budgetjahre denen zu geben, die mit Augen voller Grauen den nächsten Monaten, diesem Winter der Arbeitslosigkeit, der Aussperrung, des Hungers und des Unterganges entgegenstarren, einem Winter, der droht, die Verzweiflung von Millionen zu vollenden und alle politischen Folgerungen und Folgen der Verzweiflung eines Volkes zu zeitigen? (…) Aber der Augenblick ist längst gekommen, zu erkennen, daß die gesellschaftliche Klassenidee weit freundlichere Beziehungen zum Geist unterhält als die bürgerlich-kulturelle Gegenseite, die nur zu oft zu erkennen gibt, daß sie die Berührung mit dem lebendigen Geist, die Sympathie mit seinen Lebensforderungen verloren und verlernt hat.“

Thomas Mann, „Deutsche Ansprache/Ein Appell an die Vernunft“, 1930.

Veränderung
„Um der erzielten Resultate nicht verlustig zu gehen, um die Früchte der Zivilisation nicht zu verlieren, sind die Menschen gezwungen, von dem Augenblick an, wo die Art und Weise ihres Verkehrs den erworbenen Produktivkräften nicht mehr entspricht, alle ihre überkommenen Gesellschaftsformen zu ändern.“

Karl Marx an Pawel Wassiljewitsch Annenkow (1812-1887, russischer Journalist und Literaturkritiker), am 28.12.1846.

Womit beginnt die soziale Frage?
Damit, daß die Bundesrepublik laut Grundgesetz (Artikel 20, Satz 1) „ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat“ ist. Ergänzt wird diese gesellschaftliche Strukturbestimmung durch beispielsweise „die freie Entfaltung der Persönlichkeit“ (Artikel 2, Satz 1) sowie die Versammlungsfreiheit (Artikel 8, Satz 1) und die Allgemeinwohlverpflichtung des Eigentums (Artikel 14, Satz 2).

Dem widerspricht die Tatsache der jahrzehntelangen chronischen Unterfinanzierung (nicht nur) der Hochschulen. Diese Lage ist durch die Corona-Pandemie (Lockdown) sowie die aufwallende Energiekrise noch verschärft worden.

Hinzu kommt, wie die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks belegt, dass 68% der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland einer Neben-Erwerbstätigkeit nachgehen. Davon gaben 2016 sogar 59% an, dass sie auf die Erwerbstätigkeit angewiesen seien, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Etwas mehr als die Hälfte der Studierenden war mehrmals die Woche erwerbstätig, 36% 1-2 mal die Woche. BAföG – zur Hälfte ein Darlehen – erhalten nur knapp 20 Prozent der Studierenden. Es reicht vorne und hinten nicht. Auch die Beschäftigungsmöglichkeiten an den Hochschulen sind wenig und prekär.
Ebenso sind die Aussichten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht rosig.

Die Beantwortung der sozialen Frage beginnt damit, die Hochschulen sowie andere öffentliche Einrichtungen (Kitas, Schulen, Bibliotheken, Theater, Museen; Arbeitsplätze, sinnvolle gesellschaftliche Aufgaben) ausreichend staatlich zu finanzieren und zu diesen Zwecken die Vermögenden anständig zu besteuern. Die großen Unternehmen der Rüstungs-, Pharma- und Erdölindustrie machen seit Langem und zur Zeit besonders hohe Gewinne. Nebenbei

könnte auch – zu zivilen, sozialen und demokratischen Zwecken – getrost auf die destruktive Aufrüstung (mindestens 100 Milliarden Euro) verzichtet werden.

Darüber hinaus sind mittlerweile allseitige kräftige Lohnerhöhungen der sozialen, ökonomischen und kulturellen Lage vollständig angemessen. Ein deutliches Plus auf diesem Gebiet fördert nicht nur das Selbstvertrauen der Wertschaffenden, sondern auch die Kaufkraft sowie die Einnahmen der Steuerkasse und der Sozialversicherungen.

Diese Maßnahmen, welche vernunftgemäß durch gemeinsames politisches Handeln erwirkt werden müssen – eine historische Erfahrung -, fördern, nebst BAföG-Aktivitäten, auch die soziale Öffnung der Hochschulen, den Gegenstandsbereich des Sozialen in den Wissenschaften sowie bessere Berufsaussichten für Studierende.

Überhaupt, die Wissenschaften: Eine neue Zuwendung zur rationalen Bewältigung gesellschaftlicher Krisen bzw. eine vernunftgeleitete Förderung des Allgemeinwohls tut den Hochschulen und ihren Mitgliedern ganz gewiß gut. Dafür macht eine ausreichende Öffentliche Finanzierung ihrer Aufgaben auch Sinn. Mit dieser substantiellen Legitimation läßt sich nachhaltig für eine ausreichende materielle Basis wirken. Und, kulturell ermessen: Am meisten bekömmlich ist das Handeln für Verbesserungen.