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Fortschritt durch Konsens?

Eine Akzentsetzung

„Die Diskreditierung von Opposition macht blind für adäquate Repräsentation, die sich ihren Weg dann anders als auf traditionellen Wegen sucht. Auch der Widerstand gegen Corona-Maßnahmen ist insofern nur das Symptom für einen tiefen Grund: für das Misstrauen gegen eine Mehrheitskultur, in der ein Konsens verkündet wird, ohne dass die Sache zwischen Regierung und Opposition ausgetragen wird und strittig bleibt. Die AfD ist bislang so erfolgreich, weil es immer wieder Nahrung für diesen Mangel gibt.“

Jasper von Altenbockum, „Schwächen der Konsenskultur“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 8.1.2022, S. 8.

„Der Royalismus eines Volks besteht dem Wesen nach darin, daß es an die Personen glaubt, die jene Autoritäten repräsentieren, daß es in dieser Zuversicht auch der Person selbst anhängt.
Der Republikanismus eines Volkes besteht dem Wesen nach darin: daß der Republikaner an keine Autorität glaubt, daß er nur die Gesetze hoch achtet, daß er von den Vertretern derselben beständig Rechenschaft verlangt, sie mit Mißtrauen beobachtet, sie kontrolliert, daß er also nie den Personen anhängt und diese vielmehr, je höher sie aus dem Volke hervorragen, desto emsiger mit Widerspruch, Argwohn, Spott und Verfolgung niederzuhalten sucht.“

Heinrich Heine, „Französische Zustände“ (Artikel IX), 1832.

„Sidney Poitier ist gestorben, mit 94 Jahren – und wenn man dieses Leben mit einem Satz bilanzieren wollte, müsste man einfach sagen: Er hat die Welt verbessert. (…)
Aber andere Rollen als die der Diener, Köchinnen, der dicken Ammen und der lustigen alten Männer, die ein verdrehtes Englisch sprachen, bekamen sie [die seltenen dunkelhäutigen SchauspielerInnen] nicht. Und indem die Filme mit diesen Verhältnissen einverstanden waren, produzierten und perpetuierten sie auch das Einverständnis zumindest des weißen Publikums mit dieser Rollenverteilung in der Wirklichkeit. Poitier war der erste, der das infrage stellte und änderte. (…)
Sidney Poitier war ein Menschenfreund. Der Verlust ist ungeheuer.“

Claudius Seidl, „Der Mann, der zurückschlug“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 10.1.2022. S. 13.

Wir sehen: Schwarz ist nicht gleich Weiß, wir können zudem beurteilen: Rot ist ungleich Braun. Rassismus ist ein lang tradiertes und (leider) bis heute wirksames Ungleichheitsdogma – siehe AfD.

Die Ewiggestrigen pfeifen auf die Menschenwürde, den Gleichheitsgrundsatz, den Sozialstaat, das Asylrecht sowie das Friedensgebot. Sie schönen und verherrlichen die braune Geschichte, haben ein finsteres Menschenbild und wollen uns im Tümpel versinken lassen. Sie sind keine Opposition, sondern ein Übel.

Nach der hamburgischen Landesverfassung ist Opposition:
Artikel 24 [Opposition]
(1) Die Opposition ist ein wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. (2) Sie hat die ständige Aufgabe, die Kritik am Regierungsprogramm im Grundsatz und im Einzelfall öffentlich zu vertreten. Sie ist die politische Alternative zur Regierungsmehrheit.“

Nach einem weiteren und praktischen – auch verfassungsgemäßen – Verständnis ist Opposition das Engagement in sozialen Bewegungen (inkl. Frieden), Gewerkschaften, Parteien und in der Interessenvertretung. Ebenso mag das initiative Wirken (siehe oben: Sidney Poitier) in Kunst, Kultur und Wissenschaften dazu zählen.

Frieden, internationale Solidarität, ein rationales strategisches Verhältnis zur Natur, soziale Gerechtigkeit, gute Bedingungen für die demokratische Partizipation und eine aufgeklärte, kooperative Lebensweise gehören zu den großen Anliegen und Themen, die auch im Kleinen zu verwirklichen sind. Zur Realisierung des menschenwürdigen Allgemeinwohls bedarf es allerdings der grundlegenden bzw. klug bedachten Kontroverse gegen den (immer noch) aufgekochten Konsensbrei des Neoliberalismus bzw. der vorrangigen Kapitalbegünstigung.

Die Gewaltfreiheit, das allseitig Soziale, der tatsächliche Wert von Kunst, Kultur, Wissenschaft und Bildung sind ohne den Konflikt mit der kalten Kommerzialität nicht zu haben.

Allerdings: Wenn die große Mehrzahl ihre berechtigten Ansprüche erkennt, sich zusammenfindet, Forderungen stellt, sie begründet und öffentlich vertritt, gewinnt die tatsächliche Vernunft an Gewicht, mündige Persönlichkeiten entwickeln sich, die kultivierte Zuversicht wächst.

Wir haben die Wahl. Ein neuer Sinn entsteht und läßt sich nicht mehr verscheuchen.