HomePublikationen › Flugblatt von Liste LINKS, harte zeiten und FSB vom

Tragödie, Farce - und nun?

Hamburg braucht mindestens eine neue Wissenschaftssenatorin

„Die Welt: Diejenigen, die die Uni in Eimsbüttel nicht angetastet haben wollen, bilden doch eine starke Mauer. Gundelach: Ja, aber meine politische Erfahrung zeigt mir, dass Menschen, die mit möglichen Veränderungen nicht einverstanden sind, sich immer stärker artikulieren, als diejenigen, die die Veränderung positiv sehen. Die Fokussierung auf eine stadtentwicklungspolitische Diskussion hat der Debatte insgesamt nicht gutgetan. Ich hätte mich gefreut, wenn mehr über die Belange von Wissenschaft diskutiert worden wäre.“

Herlind Gundelach in: Die Welt, „Uni und TU Harburg sollen enger kooperieren“, 12. April 2010.

„Die Politik aber ist ein Gewerbe, wie jedes andre auch. Die modernen Staatsmänner drücken den Gesamtwillen ihres Landes nur insofern aus, als die Bürger ihren Beauftragten zwischen der speziellen Delegierung und dem Augenblick, wo der öffentliche Protest eine Regierung hinwegfegt, auf dem breiten Spielraum jede Betätigung nach dem Trägheitsgesetz erlauben.“

Kurt Tucholsky, „Zwischen zwei Kriegen“, Paris, 5. Februar 1925.

Wenn die Senatorin nach öffentlicher Veranstaltung einen Wein trinkt, erzählt sie von Helmut Kohl. Die trübe Hoffnung auf eine phlegmatische Ordnung (Macht, Hierarchie und Heimat) ist unverkennbar. Aussitzen gilt als Mittel der Politik. Von notwendigen Kenntnissen über die sozialen und wissenschaftlichen Belange der Universitätsmitglieder oder der realen baulichen Qualität und den künftigen Erfordernissen ist diese Haltung weit entfernt.

Das zeigte auch ihr blasser Vortrag jüngst vor der Universitätsgesellschaft: Die Demokratisierung der Universität als Konsequenz aus dem Desaster mangelnder kooperativer Selbstverwaltung und der autoritären Präsidentin Auweter- Kurtz fand nur auf Nachfrage Erwähnung, obgleich eine Novelle des Hochschulgesetzes für den Sommer angekündigt ist. (Der handlungsunfähige und wissenschaftsfremde Hochschulrat sowie die relative Machtfülle des Präsidiums bzw. der Dekane stehen scharf in der Kritik.)

Bachelor und Master hätten sich bewährt. Die bauliche Entwicklung solle wissenschaftsorientierter diskutiert werden. Die Studierenden hätten ihren Frieden mit den Gebühren gemacht, weil sie sie zahlten. - Pardon?

Hat ein Fußgänger mit dem Ziel, die Fahrbahn zu überqueren, kapituliert, nur weil er es nicht tut, solange sie stark befahren ist? Sind manipulierte Studien geschäftstüchtiger Berater zum ideologischen „Sprung über die Elbe“ wissenschaftspolitisch redlich? Ist ein legalisierter bzw. erzwungener Studienabbruch (Bachelor) ein bildungspolitischer Erfolg?

Die zahlreich engagierten Freunde und Mitglieder der Universitätsgesellschaft setzten dagegen ohne Ausnahme ihr Contra mit einer Vielzahl vernünftiger Forderungen für eine Humanisierung und demokratische Reform der Universität. Nun ist die Senatorin verstört.

Der nächste Akademische Senat (20. Mai 2010, 14 Uhr) wird ihr erneut Gelegenheit dazu geben, denn dort soll sich die Senatorin den Fragen und der Kritik des Gremiums stellen. (Die Sitzung ist universitätsöffentlich.) Auf Basis anschließender Diskussion soll eine Stellungnahme zur baulichen Entwicklung erarbeitet werden. Ein Bauausschuß, der dies vorbereitet, wurde endlich als ständiger Ausschuß des Akademischen Senats - gegen das Votum der Uni-Kanzlerin, die Demokratie für ineffizient („Ressourcenverschwendung“) hält - eingerichtet. Überhaupt: In der ersten Sitzung der neuen Legislatur näherte sich der AS wieder einer problemkritischen Diskussion an, die Leitung zeigte sich beweglicher. Trotzdem wurde der inthronisierte Präsident satirisch beklatscht.

Spürbar sitzt manchen Mitgliedern der Uni und des AS noch die autoritäre Geisterbahn in den Knochen. Bewegung (auch an frischer Luft) wird also gut tun. Eine befürwortende Resolution für eine antifaschistische Aktion („Bücherverbrennung - Nie wieder!“, siehe umseitig) konnte beschlossen werden. Die Studiengebühren werden weiter abgelehnt.

Vernünftig geht es doch am besten. Nur die, die aussitzen wollen, bleiben zurück.