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Soziale Erhellung
„Denn die einen sind im Dunkeln/Und die anderen sind im Licht/Und man sieht nur die im Lichte/Die im Dunkeln sieht man nicht.“ 93 Jahre alt ist dieser Satz aus der Dreigroschenoper von Bert Brecht. Er beschreibt in erschreckender Aktualität den Umgang der Deutschen mit der Pandemie – und ihr Scheitern. (…)
Viel zu lange wollten wir diese soziale Dimension der Pandemie nicht sehen: Wir wollten nicht genau wissen, welche Stadtteile betroffen sind, um keine Vorurteile zu befördern, wir wollten aus vermeintlicher politischer Korrektheit nicht sagen, dass das Virus überdurchschnittlich oft Migranten tötet – und vor den Drogenhilfeeinrichtungen wurden Abstandsregeln ausdrücklich nicht kontrolliert. Am Wochenende haben Stelzenläufer in Harburg Corona-Broschüren verteilt – leider nur in deutscher Sprache. Allzu oft haben wir mit einer Mittelschichtsperspektive, aus dem Homeoffice unter Stuck, auf die Pandemie geblickt und Debatten über Datenschutz und das Netflix-Programm geführt. Die im Dunkeln sieht
man nicht. Dabei ist gerade jetzt der Sozialstaat gefordert. Die Bekämpfung der Pandemie muss da forciert werden, wo die besonders Gefährdeten leben. Warum zahlen wir Pensionen seit Monaten Überbrückungshilfen, statt dort Obdachlose und Flüchtlinge unterzubringen? Weshalb holen wir die Menschen aus viel zu kleinen Wohnungen nicht in Hotels, in denen sie sich beispielsweise auch sicher in Quarantäne begeben können?“
Matthias Iken, „Die Corona-Pandemie und das Leben der anderen“ (Leitartikel), „Hamburger Abendblatt“, 18.4.´21, S. 2.
„Die vergangene Woche wird in die Geschichtsbücher eingehen, mindestens in de Annalen von CDU und CSU: als eine der brutalsten Wochen der deutschen Politik. Als Chaostage, an deren Ende sich viele Bürger fragen: Warum sollte man einer selbsternannten >Union< den Wiederaufbau nach der Pandemie überlassen, wenn sie nicht einmal ein Konzept für die Pandemiebekämpfung hat?“
Markus Feldenkirchen, „Spiel mit dem Volk“ (Leitartikel), „SPIEGEL“ Nr. 16/17.4.´21, S. 6.
„Rebellen, die aufmüpfig waren, und die Identität einer Gruppe und ihrer Individuen in Frage stellten, haben in Geschichte und Religion schon oft dazu beigetragen, dass Unrecht und Unterdrückung überwunden wurden.“
Katrin Hummel, „Sie da! Schämen sollten Sie sich!/Die gereizte Gesellschaft: Warum sich manche Menschen über andere aufregen, obwohl sie gar nicht unter deren Tun Leiden“, „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ („FAS“), 18.4.´21, S. 9.
Wie gut, daß der eher konservativ eingestellte Matthias Iken im zumeist das Progressive mäßigenden „Hamburger Abendblatt“ zunehmend und fast genau treffend das Soziale in den Krisenzeiten der nur wenig gelingenden Gesundheitsentwicklung der Bevölkerung(en) entdeckt.
Dabei sind es nicht „Wir“, die bislang die soziale Gerechtigkeit, d.h. den Sozialstaat, tarifliche Arbeitsverhältnisse, die Mitbestimmung in Betrieben und öffentlichen Einrichtungen, die kläglichen Personalstand im Gesundheitssystem, das Elend von Obdachlosen sowie Flüchtlingen und MigrantInnen gesellschaftskritisch berücksichtigt haben.
Diese politische Ignoranz ist vielmehr programmatisches Handeln der meisten Regierungen bzw. eine Domäne von CDUCSU und FDP – von der AfD ganz zu schweigen. (Auch SPD und Grüne glänzen bislang nicht durch ihren energischen Einsatz für soziale Progression.)
Auch für Frieden, Abrüstung, eine zivile, gewaltfreie internationale Entwicklung; für die bedarfsgerechte Rekonstruktion des Sozialstaates; die seriöse Bewältigung der Klimakrise; für die geistige und materielle Achtung von Kunst, Kultur, Bildung und Wissenschaft ist von den gegenwärtig Regierenden wenig Substantielles zu erwarten.
Dabei ist aus den schwerwiegenden Fehlern, die sich bis in die Gegenwart mißlich zeigen, viel und fundamental zu lernen: Kriege respektive Kriegsbeteiligung, Aufrüstung und Rüstungsexporte (besonders in Krisengebiete) schaffen nachweislich keinen Frieden. Die Reduktion des Sozialstaates unter der Doktrin der „Eigenverantwortung“ schafft keine menschenwürdigen Bedingungen. Die Mißachtung des Kulturellen ist beileibe keine Wohltat. Die fortgesetzte Verbrennung fossiler Brennstoffe (in Energiegewinnung, Industrie, Handel und Mobilität) ist gegenwärtig zukunftslos. Kurz: Das „Fahren auf Sicht“, das Schüren von Angst hat keine Perspektive. Die Ewiggestrigen erhalten dadurch fortgesetzt Nahrung.
Hier ist zu lernen. Lernen heißt Änderung. Es kommt also gesteigert darauf an, sich selbst zu engagieren, in gemeinsamer Selbstbestimmung, um den Regierenden und den Parteien Beine zu machen. Auf diese Weise schwindet auch die Angst, die Gereiztheit wird rationalisiert und solidarisch gemacht. Der erste Schritt ist, das Unbehagen vernünftig und menschenfreundlich zu machen. Eine angenehmere Kultur entsteht im Nu. Die Steigerung von Ansprüchen dynamisiert die Demokratie.
"Klug, gütig, tapfer
Die Klugen machen klug,
die Gütigen machen gütig,
die Tapferen machen tapfer."