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Wie kommt das Häßliche zur Macht?

Filmsichtveranstaltung zu „Richard III“ (1593) nach William Shakespeare (1564-1616), in einer Aufführung des Deutschen Theaters von 1976 („Leben und Tod des Königs Richard III“).

„Richard, wie Shakespeare ihn in seinem Drama darstellt, war unablässig gequält von Unsicherheit und Wut, beides resultierte aus der schlimmen Kindheit eines ungeliebten Sohnes und einem schiefen, verwachsenen Rückgrat, das die Menschen seinen Anblick meiden ließ. Geplagt von Selbsthass und dem Bewusstsein der eigenen Hässlichkeit – er wird wiederholt mit einem Keiler oder einem wildgewordenen Schwein verglichen –, fand Richard Schutz in seiner Anspruchshaltung, seiner aufgeplusterten Selbstüberschätzung, in Frauenfeindlichkeit und gnadenloser Leidenschaft für Schikane und Demütigung anderer. (…) Sein Erfolg, die Krone tatsächlich zu erlangen, hing einzig ab von dem fatalen Zusammenspiel unterschiedlicher, jede auf ihre Weise zerstörerischen Reaktionen jener Personen, die sich um ihn gruppierten. Das Drama verteilt diese Antwortmuster auf einzelne Charaktere – Lady Anne, Lord Hastings, den Earl of Buckingham und einige mehr –, und es gelingt ihm darüber hinaus, den Eindruck zu erzeugen, dass all diese Charaktere wie unter einem Brennglas die kollektiven Fehler eines gesamten Landes abbilden. Zusammengenommen stellen sie eine Nation der Möglichmacher dar.“

Prof. Stephen Greenblatt (Literaturwissenschaftler Harvard University), „Wie kommt ein Soziopath zur Macht?“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“), 12.10.2016, S. 9, eine Übersetzung aus „The New York Times“.

„Mittel gegen den Hochmut der Großen
Viel Klagen hör ich oft erheben
Vom Hochmut, den der Große übt.
Der Großen Hochmut wird sich geben,
Wenn unsre Kriecherei sich gibt.“

Gottfried August Bürger, 1787.

Stephen Greenblatt (s.o.) verfaßte seine aktualisierten Überlegungen zu „Richard III“ von Shakespeare kurz vor der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA.

Seine fünf Typen von „Möglichmachern“ sind: Erstens diejenigen, die daran glauben, daß die gegebenen Strukturen schon halten werden – bis es zu spät ist; zweitens diejenigen, die vergessen oder verdrängen, wie schlimm Richard wirklich ist; drittens diejenigen, die sich vor Demütigungen oder Verletzungen fürchten und sich diesen hilflos ausgesetzt fühlen; viertens diejenigen, die meinen, einen Vorteil daraus (auch durch Kollaboration) für sich ziehen zu können; fünftens diejenigen, die meinen, nun endlich ihren aufgestauten Aggressionen freien Lauf lassen zu können.

Gemeint sind eigentlich wir Alle, ob wir im reflektierten Zuschauen nicht irgendein Element davon bei uns selbst entdecken können.

Diese distanzierte und gleichwohl Anteil nehmende Betrachtung macht uns wiederum möglich, nicht in die Falle der Gleichgültigkeit oder gar der Unterstützung der skrupellosen und zerstörerischen Herrschaft oder Macht zu gehen.

Die Charaktere sind so angelegt, daß sie nicht einem vorher festgelegten Schicksal unterliegen und nicht anders können, sondern bestimmten – kritisierbaren, änderbaren – Absichten und Vorstellungen folgen, mit denen mensch nicht einverstanden sein oder dem nicht ausgeliefert sein muß.

Hier lassen sich eigene, auch gegnerschaftliche und alternative, Auffassungen, Absichten und Handlungsfolgen in der Auseinandersetzung mit dem Falschen bilden.

Dazu laden wir ein mit Vortrag, Film und Diskussion.

Filmsichtveranstaltung: »Leben und Tod des Königs Richard III« eine Aufzeichnung aus dem Deutschen Theater Berlin von 1976, Bearbeitung und Regie: Manfred Wekwerth.

Eine Einführung ins Stück mit historischer Einordnung gibt Dr. Wolfgang Beutin Literaturwissenschaftler, Dozent und Autor.

Dienstag, den 3. Dezember 2019, um 18.00 Uhr, im „Syntagma” (studentischer Raum im Durchgang von der Grindelallee zwischen Heine-Buchhandlung und Copyshop zum Von-Melle-Park)