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Im Zentrum: Bildung als Emanzipation

„Daß wir da, anders als bisher, einen freieren Zutritt haben müssen als natürliche Folge des neuen demokratischen Schulsystems und daß es der ganzen Bevölkerung, soweit sie die nötige Begabung hat, möglich sein muß, von der Universität zu profitieren, versteht sich von selbst. Und wenn jemand fragt, daß wir mit solchen Zugeständnissen eine Reverenz vor der Revolution machen, so sage ich: Jawohl, in diesem Punkt machen wir eine Reverenz vor der Revolution und erachten es als einen großen Fortschritt der neuen Verhältnisse, daß auf dem Gebiete der Zulassung zur Universität bessere Zustände eintreten, als sie bisher dagewesen sind. (...).“

Carl A. Mönckeberg: Bürgerschafts-Rede für eine Universitätsgründung, 28.3.1919.

So sprach der Abgeordnete der links-liberalen DDP und nahm Bezug auf die Revolution, die dauerhaften Frieden und eine soziale Demokratie ermöglichen sollte. Die Universität, das machten besonders die sozialdemokratischen bzw. sozialistischen Abgeordneten deutlich, sollte Teil eines nunmehr klassenfreien Bildungswesens sein – das Ende der preußischen Eliten-Bildung mit sozialer Auslese und militärischem Drill. Bildung für Alle bedeutet seitdem nicht nur einen freieren Zugang zu Bildung, sondern: Bildung für ein menschenwürdiges Gemeinwesen.

Die politische Reaktion hat dagegen heftig zugeschlagen; die Hoffnungen der Revolution zerbrachen vorerst 1933 an der Machtübertragung an die Nazis, an der auch die Universitäten mit ihrer elitären und heftig nationalen Tradition Anteil hatten. Aber mit der Befreiung vom Faschismus kehrte die Ambition wissenschaftlicher Bildung für alle Menschen in neuer Klarheit zurück: „Wir setzen uns von denjenigen Auffassungen ab, für welche nicht der Mensch, sondern die Forschung an der Spitze steht. Wir glauben, daß Hochschulbetrieb nur soweit gerechtfertigt ist, als er Dienst am Menschen bleibt. Dieser Dienst ist nicht auf den Studenten beschränkt, ..., sondern er gilt mittelbar und unmittelbar dem ganzen Volk. Menschliches Leben ist gemeinsames Leben von verantwortlichen Personen in der Welt. Nur als Teil dieses Lebens ist die Hochschule gerechtfertigt“, formulierte eine von der britischen Befreiungsmacht eingesetzte Kommission zur Hochschulreform im „Blauen Gutachten“ 1948.

Dies an den Unis gegen beharrliche Rechtslastigkeit zu verallgemeinern gelang erst durch Studierendenbewegung. Ein Credo dieser Bewegung findet sich im Kreuznacher Hochschulkonzept der Bundesassistentenkonferenz von 1968. Es wurde von Peter Fischer-Appelt mitverfasst, der 1969 Präsident der Uni Hamburg wurde, und es lautete: „Wissenschaft wird als solidarische Bemühung von Menschen in methodisch ausgewiesener und zielbewußter Erkenntnisarbeit gegen die Irrationalität der natürlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse unternommen, damit die Erde als der einheitlich gemeinsame Lebensraum einer brüderlichen Menschheit in Frieden bewohnt und mit Vernunft genutzt wird.“

Und heute? Sozial offene Hochschulen mit solidarischen Lehr- und Lernformen, in denen globale Verantwortung, Diskursivität und Erkenntnisfreude zählen, müssen – nach einigem neoliberalen Rollback – erweitert durchgesetzt werden. Die in der Universität verbreitete Orientierung an den „Sustainable Developments Goals“ der Vereinten Nationen definiert dafür einen Horizont kollektiver Aktivität – zum Beispiel: „Wir sind entschlossen, die für die Umsetzung dieser Agenda benötigten Mittel durch eine mit neuem Leben erfüllte Globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung zu mobilisieren, die auf einem Geist verstärkter globaler Solidarität gründet, insbesondere auf die Bedürfnisse der Ärmsten und Schwächsten ausgerichtet ist und an der sich alle Länder, alle Interessenträger und alle Menschen beteiligen.“ (Agenda 2030 der Vereinten Nationen, Präambel, 2015)

Bildung als befreiende Aktivität ist – fächerübergreifend! – verstärkt zu fördern und zu fordern: Für Philosophie und Geschichtsbewusstsein, soziale Bedeutung, nachhaltige Wirkung, zivile Entwicklung und persönlich solidarische Souveränität bedarf es angemessener Räume, Mittel, Zeit, Mitbestimmung und sozialer Begegnungen.