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Wir leben unter unseren Verhältnissen:
Soziale und emanzipatorische Wende statt Austerität!

„Insgesamt schufen staatliche Eingriffe [in der Nachkriegszeit] für viele Menschen Sicherungsnetze und Lebensumstände, in denen ihnen viel mehr Möglichkeiten offenstanden, ihr Leben nach ihren Fähigkeiten und Talenten selbst zu gestalten und vielfältigere Erfahrungen im Leben zu machen als unter den schlanken Staaten, die zuvor existierten. […] Bemerkenswert ist nun dabei vor allem, dass diese steuerfinanzierte Expansion des Staates nicht nur zu größeren Bildungschancen für die Masse der Bevölkerung führte, sondern auch mit seither nicht wieder erreichten hohen Niveaus wirtschaftlichem Wachstums einherging.“

Prof. Dr. Florian Schui, Wirtschaftshistoriker, am Dies Academicus zur Hochschulfinanzierung „Zwischen Sparta und Elysium“ am 1.11.2017.

Die aktuelle Politik der Austerität („Entbehrung“, Kürzungspolitik) richtet tagtäglich großen Schaden an. Unter dem Dogma der „Schwarzen Null“ wird der Sozialstaat für die Sicherung der Profitmaximierung Weniger ausverkauft: In den Krankenhäusern soll auf die Effizienz statt auf die Gesundheit der Patienten geschaut werden. In den Schulen soll die Erziehung zur Anpassung statt die gemeinsame Entwicklung von Mündigkeit im Vordergrund stehen. In den Universitäten soll das Streben nach Drittmitteln statt nach Wahrheit dominieren. Die Austerität ist also eine systematische Verletzung der Menschenwürde. Alle sollen eingeschüchtert werden, vernünftige Ansprüche für ein menschenwürdiges Leben zu verwirklichen. Dieses Vorhaben verdient engagierte Gegnerschaft.

Dabei ist bedenkenswert: Was mit der Austerität heute geschliffen werden soll, ist zuvor in sozialen Auseinandersetzungen errungen worden. In den USA war der New Deal – in Gegnerschaft zum Faschismus – die soziale und humane Antwort auf Weltwirtschaftskrise von 1929ff mit riesigen öffentlichen Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Gesundheit, einer hohen Lohnquote und einer Stärkung von Gewerkschaften und soziale Grundrechten. In Europa wurden nach der Niederringung des Faschismus weitreichende Ansprüche für soziale Gleichheit und friedliche Entwicklung für alle gefaßt. Und in den 1960er und 70er Jahren konnte daran anknüpfend in Kämpfen in den Hochschulen (68er-Bewegung) und den Betrieben (Gewerkschaften) wirksam für die Einheit sozialen Fortschritts und kultureller Emanzipation gestritten werden.
Gestützt wurde sich dabei auch auf die Erkenntnisse des Wirtschaftstheoretikers und -politikers John Maynard Keynes. Angesichts der „großen Depression“ schrieb dieser 1930 gegen den Zweifel, ob je wieder an schon erreichtem sozialen Niveau angeknüpft werden kann:
„Aber erwacht er nun aus einem angenehmen Traum und
blickt den finstern Tatsachen ins Auge? Oder gleitet er in einen Albtraum der schließlich vorübergehen wird? Er muss nicht zweifeln. Das andere war kein Traum. Dies ist ein Albtraum. Denn die Ressourcen der Natur und die Mittel des Menschen sind heute noch so fruchtbar und produktiv wie ehedem. Wir schreiten mit unvermindertem Schritt auf die Lösung der materiellen Probleme des Lebens zu. Wir sind noch genauso in der Lage wie einst, jedem Menschen einen hohen Lebensstandard zu ermöglichen – und ich meine hoch beispielsweise im Vergleich zum Lebensstandard vor zwanzig Jahren – wir werden schon bald in der Lage sein, uns einen noch höheren Lebensstandard zu leisten.“

John Maynard Keynes, „The Great Slump of 1930“.

Die historischen Erfahrungen der konsequenten Durchsetzung menschenwürdiger Entwicklung eröffnen Einsichten für die heutige Überwindung des aktuellen Übels der massiven Ungleichheit.

Wie sind diese historischen Errungenschaften zu verstehen? Mußte nach den positiven Entwicklungen der 70er Jahre eine Phase neoliberaler Destruktion einsetzen oder hätte die soziale Entwicklungspolitik fortgesetzt werden können?
In der Veranstaltung wollen wir, die (verdrängten) Erkenntnisse aus der Geschichte und der links-keynesianischen Politik (neu) darlegen, diskutieren und aktualisieren – für eine gesellschaftliche Perspektive gegen die Austerität. Dafür haben wir Prof. Dr. Florian Schui, Wirtschaftshistoriker an der Universität in St. Gallen, eingeladen. Er veröffentlichte im Jahr 2014 das Buch „Austerität – Die kurze Geschichte eines großen Fehlers“ und arbeitet aktuell an einer Veröffentlichung zu der Frage „What went wrong in the 70s?“.

Vortrag und Diskussion
Über historische und aktuelle Alternativen zur Austerität
mit Prof. Dr. Florian Schui (St. Gallen/Hamburg)
Dienstag, 16.1.2018, 19 Uhr,
im Raum S08, in der ehemaligen HWP (Von-Melle-Park 9, Sozialökonomie)