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Humanität in Wissenschaft und Politik: Eine notwendige Einheit.

„Freiheit, Güte, Gerechtigkeit, Geschmack und Großzügigkeit sind Produktionsfragen, sagte Me-ti zuversichtilich.“

Bertolt Brecht, „Me-ti/Buch der Wendungen“, geschrieben im Exil der 1930er Jahre.

Ein wesentliches Problem ist, daß einerseits die Beantwortung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen (Frieden, soziale Progression und eine umfassende Demokratisierung in globalem Maßstab) erforderlich ist, aber andererseits in Bildung und Wissenschaft mehrheitlich dieser Inhalt einer humanen gesellschaftlichen Veränderung vermieden wird. Damit ist die Universität Teil der gesellschaftlichen Krise. Sie müßte aber ein lebendiger Ort der Arbeit an ihrer Überwindung sein. Deshalb ist erfreulich, daß diese Resignation in Frage gestellt wird. Beispielhaft hierfür war das „Zweite Carl Friedrich von Weizsäcker-Forum für Verantwortung der Wissenschaft“ unter dem Motto „Verantwortung Lehren und Lernen – Eine unangenommene Herausforderung?“. Amtliche Wissenschaftler und hochschulpolitisch engagierte Studierenden diskutierten am letzten Wochenende hier die Aufgaben von Wissenschaft und Studienreform angesichts des „beinahe Zusammenbruchs des Finanzkapitalismus“. Wie ist der Dekadenz vernünftig zu begegnen, wenn „Herrschende aus purem Eigenutz“ „rund 5.000 Milliarden Euro aus den Mitteln der Bevölkerung“ rauben? So eingeleitet wurde in der Eröffnungsrede kritisiert, daß der politisch-ökonomisch gewollte „schnelle Studienabschluß“ für Fragen der Verantwortung und Humanität keinen Platz in Forschung, Lehre und Studium lasse. Erforderlich sei ein „studium principale“ als Erwiderung auf diese kulturelle Restriktion. In dem Vortrag des Stanforder Professors David Holloway wurde die Verantwortung der Wissenschaften aus der Erfahrung mit der Entwicklung der Atombombe hergeleitet. Das Verhältnis von Politik und Wissenschaft blieb aber unzureichend bestimmt, weil die „humane Verantwortung“ zunächst als moralische Norm, nicht als Tat-Sache aufgefaßt wurde, die in sozialen Kämpfen der Bevölkerung stetig zur Geltung gebracht wird. Der kritische Blick auf die vom European Round Table of Industrialists und später der EU-Kommission geforderten konsekutiven Bachelor-/Master-Studiengänge hat dann zutage gefördert, daß mit hartem privat-ökonomischen Interesse die Trennung der Studierenden in „Masse und Elite“ betrieben wird. Auch sollen im internationalen Maßstab nur verwertungsrelevante Fach-Qualifikationen und „kulturelle Kompetenzen“ erarbeitet und erlernt werden, weshalb die neuen Studienordnungen kritische Anteile zurückdrängen und von kritischem Engagement abhalten sollen. Ein Ingenieurwissenschaftler der TU-Berlin berichtete von der neuen Tendenz, daß gegen diese Forderungen nach profitorientierte Unverantwortlichkeit von Studierenden in Lehrveranstaltungen zunehmend Unmut artikuliert wird. Dieser münde in der Befürwortung einer kritischen Qualifikation, die befähige, verallgemeinerbare Interessen zu erkennen und solidarisch wahrzunehmen.

Die Studierenden bekräftigen dies aus ihrer Praxis. Sie folgerten, daß erneut Konfliktfähigkeit gegen den Mainstream herausgebildet werden muß. Vermeintliche Sachzwänge (z.B. BA/MA-System) grundsätzlich in Frage zustellen und Solidarität gegen den politisch geförderte Konkurrenzdruck auf die Fachwissenschaften, Fakultäten, Hochschulen und ihre Mitglieder zu entwickeln, sind demnach die wesentlichen kulturellen Erfordernisse für den produktiven Ausgang der Universität aus der Krise. Gebührenfreiheit, die Überwindung der Deformationen des Studiums und die bedarfsgerechte Finanzierung der Hochschulen sind wesentliche politische Schritte, auf die das Engagement aller Uni-Mitglieder deshalb konzentriert sein sollte. Humanität ist keine reine Frage der Moral oder des individuellen Charakters, sondern ein soziales Interesse der Mehrheit. Verneinen die wissenschaftlichen Subjekte diese Tatsache, verneinen sie das vernünftige Mensch-Sein.