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Hochschulen als Bildungs- oder Standortfaktor?

Die Hochschulen wirken in der Gesellschaft. Die Kontroversen über ihre Entwicklung sind relevant. Dies wurde jüngst im Akademischen Senats deutlich. Der hatte anläßlich der nahen Bürgerschaftswahl die wissenschaftspolitischen SprecherInnen der Bürgerschaftsfraktionen eingeladen.

Ein Thema war das Verhältnis von Gesellschaft, Staat und Hochschule.

Die FDP begreift „Hochschulautonomie“ als Deregulierung (= Abbau demokratischer Kontrolle) für marktmäßiges Handeln. Hochschulen seien neben dem Hafen der wesentliche Wirtschaftsfaktor. Die CDU ist damit d’accord und behauptet, die Spannungen zwischen Staat und Hochschulen hätten neuerdings zugenommen. Sie übergeht dabei, daß sie von 2001-2011 für Mangel, Studiengebühren, Ba/Ma-Einführung per Diktat und Sanierungsstau hauptverantwortlich war. Für die Grünen sind Hochschulen „wichtig für die wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung“. Der SPD-Vertreter betonte die demokratisierende Rolle der Universität in der Stadtgeschichte seit 1918/19 und bezieht Hochschulautonomie auf die grundgesetzliche Wissenschaftsfreiheit als antifaschistische Lehre zum Schutz vor Vereinnahmung zu menschenfeindlichen Zwecken. Mit der Änderung des Hochschulgesetzes 2014 komme die SPD dem Wunsch nach mehr Mitbestimmung entgegen. Das Gesetz sei „nicht statisch“, wenn „weitere Impulse“ aus den Hochschulen kommen. Die LINKE pointierte: Mehr Demokratie ist nötig. Der wirtschaftsnahe Hochschulrat gehört abgeschafft, die Beschlußkompetenz gewählter Gremien bei Leitungswahlen und Haushaltsfragen muß hergestellt werden, und alle Mitgliedergruppen sind zunehmend gleich zu berechtigen.

Alle Parteien zeigen sich offen für eine bessere Grundfinanzierung. Liberale, Konservative, Grüne und Sozialdemokratie sind sich jedoch einig, daß die „Schuldenbremse“ dominieren werde. Während CDU, FDP und Grüne eine „Priorität“ von Bildung auf Kosten anderer Bereiche befürworten, wurde seitens der SPD problematisiert, daß senatsseitig eine gesamtstädtische Verantwortung bestehe. Nötige Ausgaben für Hochschulbau und die Gebührenabschaffung würden dennoch realisiert, mehr sei wünschbar. Möglich sei, die Hochschulvereinbarungen zur Grundfinanzierung 2017 mit Besserungstendenz zu verhandeln. Allein Die Linke kritisiert die entwicklungs- und investitionsfeindliche Schuldenbremse („Totschlagargument“) und tritt zugleich für höhere Steuereinnahmen – z.B. durch konsequente Steuereintreibung bei den Allerreichsten – ein, um soziale und kulturelle Entwicklung für Alle zu ermöglichen.

Studentischerseits wurde problematisiert, daß „Bologna“ wie Kriegführung auf kultureller Ebene wirkt. Die Zunahme von Studienabbrüchen und Erkrankungen sei so zu begreifen. Wie könne Politik gegen diese strukturelle Deformation wirken und Persönlichkeitsentwicklung fördern?

Die FDP ist „grundsätzlich für Bologna“. Die CDU will es „weiterentwickeln“. Für die Grünen ist Bologna „vom Kern her richtig“, doch zu starr organisiert. Es müsse mehr Anfängerplätze geben, zur Heilung könne Wissenschaftspolitik aber „nichts beitragen“. Der SPD-Vertreter begrüßt eine erneuerte Gleichzeitigkeit von Ausbildung und Bildung mündiger Menschen. Die SPD erkenne, daß mehr Masterplätze für Lehrämter und einige andere Studiengänge zu schaffen sind. Die LINKE argumentiert, daß Bologna „gescheitert“ ist: Es gibt mehr Abbrecher und der Lernstreß (ähnlich wie durch G-8 an Schulen) behindert die Entfaltung aufrechter Persönlichkeiten, die Mobilität sowie die soziale Offenheit. Auch „ist kein Bachelor wirklich berufsqualifizierend“. Mindestens müßten mehr Studienplätze für „Ba“ und „Ma“ sowie eine gemeinsame Zulassung in allen Fächern geschaffen werden. Sie kritisierte, daß die Hochschulplanung der Regierung bisher in einem Studienplatzabbau mündet und damit einer gesellschaftlichen Tendenz zuwider handelt.

Die Abgeordneten wurden auch nach der Verantwortung der Wissenschaften für den Frieden gefragt: Soll eine „Zivilklausel“ ins Hochschulgesetz aufgenommen werden?

Wieland Schinnenburg (FDP): Die Verpflichtung von Bildung und Wissenschaft auf eine zivile Orientierung sei gegen die Wissenschaftsfreiheit. Rüstungsforschung sei „für die Bundeswehr“ und „unsere NATO-Partner“ unverzichtbar.

Thilo Kleibauer (CDU): Seine Partei ist ebenfalls gegen eine Zivilklausel.

Philipp-Sebastian Kühn (SPD): Das Thema bleibe kontrovers. Die SPD habe sich aber für eine „Transparenzklausel“ entschieden. Sie befördere die öffentliche Meinungsbildung für Forschung, die ökonomisch unrentabel ist (z.B. in der Medizin), und damit auch deren bessere Finanzierung.

Eva Gümbel (Grüne): Eine Zivilklausel könne unterlaufen werden und sei folglich „kein geeignetes Mittel“.

Dora Heyenn (Die LINKE) ist für eine Zivilklausel: Sie schützt vor Druck, sich zur Finanzierung von Forschung militärischen Zwecken anzudienen, und ist ein positives Recht, friedensbildend zu arbeiten. Eindeutigkeit für den Frieden „ist angesichts dessen, was in der Welt los ist“, nötig.

Die Diskussion war aufschlußreich. Weltbezogen, kritisch und diskursiv werden Haltungen für menschliche Verhältnisse gebildet.