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„BAföG“ – Für die Erweiterung einer Errungenschaft.
„Im Gegensatz zu den Bestrebungen, die Studenten bewußt in Abhängigkeit von wohlwollenden Geldgebern und Fürsorgeinstanzen zu halten, sind alle Maßnahmen zu fördern, die den tatsächlichen gesellschaftlichen Funktionen und dem Charakter des Studiums gerecht werden und die soziale Stellung des Studenten der Bedeutung seiner Tätigkeit anpassen, das heißt aber: eine Emanzipation des Studenten zum freien intellektuellen Arbeiter und die volle Herstellung der akademischen Freiheit des Studiums anstreben.“
Aus: Hochschuldenkschrift des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, 1961. html
Als 1971 das BAföG während der sozial-liberalen Regierung Willy Brandts eingeführt wurde, war das ein Erfolg der Studierendenbewegung: Nicht mehr hierarchische „Begabtenförderung“, sondern Ausbildungsförderung als Rechtsanspruch. Dafür hatten Studierende und Gewerkschaften gekämpft, um das strukturell elitäre Bildungssystem zu überwinden. 1972 wurden nahezu 44% aller Studierenden und 500.000 SchülerInnen gefördert. Mit BAföG als Vollzuschuß – also ohne Rückzahlungspflicht. Im Jahr 2012 waren es nur noch 24 % aller Studierenden – mit Rückzahlungspflicht. Wie kommt das?
Eine bedarfsgerechte Bildungs- und Ausbildungsförderung steht unter dem Druck von konservativer Seite. So wurde das BAföG – entgegen aufgeklärter Vorhaben – bereits als eltern-abhängiges eingeführt. Das entspricht der paternalistischen Tradition des deutschen Sozialstaates, Verwandte finanziell in die Pflicht zu nehmen, bevor er Sozialleistungen gibt. Dieses „Subsidiaritäts-Prinzip“ der christlichen Soziallehre ist vielfach entwürdigend (zugespitzt bei Hartz IV) und gehört dringend überwunden. Wie so oft sind hier die skandinavischen Länder vorbildlich, die schon lange Alle als selbständige Persönlichkeiten elternunabhängig fördern.
Der erste Eingriff ins BAföG erfolgte 1974, als der „Vollzuschuß“ zu einem kleinen Teil als zinsfreies Darlehen umgewandelt wurde. Seither verschulden sich alle BAföG-Empfänger.
1983 wollte die CDU unter Helmut Kohl das ungeliebte BAföG ganz abschaffen und damit auch den Bravheitsdruck auf die sozial- und friedensbewegten Studierendenschaften erhöhen. Da es kräftig Widerstand gab, ist das BAföG „nur“ zu einem Darlehen umgewandelt worden.
1990, als ostdeutsche Studierende, die ein elternunabhängiges Grundstipendium gewohnt waren, dazu kamen, ist als Konzession an diese Praxis das BAföG wieder halb staatlicher Zuschuß und halb Darlehen geworden. Dennoch werden seither etliche Studierende in eine tiefe Verschuldung gedrängt. Erst der erneute Druck der Studierenden im Zuge der Kampagne für Gebührenfreiheit und der Bologna-
Proteste hat zu einer Deckelung der Verschuldung auf 10.000 Euro geführt.
Jüngst hat sich die Große Koalition darauf verständigt, das BAföG nicht bedarfsgerecht zu reformieren. Stattdessen wird das umständliche und streng konservative „Deutschland-Stipendium“ favorisiert: Die Hochschulen sollen private Geldgeber auftreiben und erhalten dann Geld vom Bund, um aus beiden Quellen „Leistungs-Stipendien“ zu vergeben.
Jedoch wollen immer mehr Menschen studieren. Die hohe Zahl der BewerberInnen sowie die Kämpfe für die Demokratisierung, soziale Öffnung und aufgeklärte Verallgemeinerung von Bildung und Wissenschaft sind bewußter Ausdruck des gesellschaftlichen Erfordernisses: Bildung für Alle.
Mit dieser Zielsetzung ist auch die Abschaffung der Studiengebühren zum Wintersemester 2012/13 solidarisch erkämpft worden. Jetzt ist das „Studienhonorar“ als Kernforderung studentischer Bewegungen wieder hoch aktuell: Das BAföG bedarf dringend einer sozialen Rekonstruktion – elternunabhängig, bedarfsgerecht und als Vollzuschuß. „Ausländische“ Studierende sollten nicht mehr davon ausgeschlossen werden.
Perspektivisch wäre es zu einer allgemeinen Bildungsförderung auszubauen, um lebenslange Beteiligung an Bildung und Wissenschaft – und damit entwickelte gesellschaftliche Partizipation – für Alle zu ermöglichen. Weil Studierende aktiv an dem Wissenschaftsprozeß beteiligte Subjekte sind, müssen sie auch die finanziellen Voraussetzungen ihrer Arbeit erhalten, anstatt sich zusätzlich aufzureiben.
Emanzipation gelingt auch im Widerspruch zur „Schuldenbremse“.
Die Geschichte zeigt: Solidarisches Engagement bewegt und wirkt. Real und glaubwürdig.