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Strukturell kooperativ.
Ein Reformpaket zur aktiven Entwicklung

„Viele denken, dass das dicke Ende noch kommt, und sehen keine Macht, welche die Geschicke in ihrem Sinne lenken möchte. Sie sehen einen Clown und denken an Mord und Totschlag. Und das ist nicht harmlos, denn die Ratlosigkeit, die Angst und bei vielen auch der Hass werden nicht verfliegen. Es ist, als würde man Sisyphos sagen: Der Stein bleibt nun vier Jahre oben, ruh dich schön aus am Fuße des Bergs. Aber man bleibt doch skeptisch. Die geradezu therapeutische Arbeit der Umwandlung dieser angestauten Gefühle und Seelenstimmungen in produktive Konflikte und schließlich in konkrete Politik kann nicht gefahrlos verweigert oder aufgeschoben werden.“

Nils Minkmar, „Die große politische Leistungsverweigerung“, FAZ, 21. September 2013, S. 31, html.

Jüngst wurde im Akademischen Senat eine schreckliche Episode berichtet: In einer wirtschaftswissenschaftlichen Klausur wurde jemand beim – offenbar IT-gestützten und geschäftsmäßig organisierten – Mogeln erwischt. Die Aufsichtsperson, die den Schummler ansprach, ist daraufhin schwer körperlich angegriffen und verletzt worden.

Was ist falsch gelaufen?

Eine WiWi-Prüfung, vermutlich über ohnehin oberflächliches Paukwissen, gerät manchen zu einer so existenziellen Angelegenheit, daß daraus panische Angst und das Geschäft mit der Angst und sogar Gewalt erwächst. In dieser Handlungsweise spiegelt sich aber nur die strukturelle Gewalt des Bologna-Systems. Friedrich Schiller prägte für solche Zusammenhänge das Motto vom „Verbrechen aus verlorener Ehre.

Die Notwendigkeit, strukturell kooperative Verhältnisse zu schaffen, dafür den neoliberalen Qualen nach Zahlen (ob Börsenkurse oder Notenhetze) zu Leibe zu rücken und dafür die gemeinsamen intellektuellen Qualifikationen zu erarbeiten und zu verbinden, könnte kaum deutlicher sein.

Erforderlich ist folglich ein gemeinsames Programm bzw. gemeinsame Aktivität: Jede vernünftige Reform fußt auf der gleichen Würde aller; Frieden, tiefgreifender sozialer Fortschritt, Ökologie und tatsächliche Demokratie bilden die große Ambition auch für Forschung, Lehre und Bildung.

Deshalb bedarf die Universität auch der Beendigung der Rotstiftpolitik bzw. des solidarischen Engagements dafür. Die sozialen Voraussetzungen mündiger Entwicklung und kritischer Wissenschaft – eine solide öffentliche Finanzierung, befreit vom Konkurrenzkampf um Drittmittel, sozial gesicherte Arbeitsverhältnisse und eine anständige Grundfinanzierung des Studiums (auch des Studierendenwerks und des BAföG), frei von Gebühren – sind so zu erlangen.

Die gegenwärtige Debatte zur Überarbeitung des Hochschulgesetzes eröffnet zudem die Möglichkeit, kollektiv öffentlich die volle demokratische Selbstverwaltung der Wissenschaftseinrichtungen zu erwirken.

Barrieren aller Art, zwischen Fächern und Fakultäten, zwischen Bachelor und Master, zwischen Forschung und Lehre, auch die Denkverbote des „Oberst Sachzwang“, können in offener produktiver Auseinandersetzung überwunden werden.

Selbst die räumliche Enge hat ihre Alternative: Das flächenmäßig dem Philturm ähnliche „Fernmeldeamt“ in der Schlüterstraße wartet geradezu auf universitäre Erschließung. Eine Gesamtkonzeption für eine geschichtsbewußte und kooperationsfördernde Campusgestaltung sollte von den Mitgliedern der Universität ausgehen.

Reform, das ist die bewußte kooperative Verbesserung der gemeinsamen Lebens- und Arbeitsverhältnisse: „Wenn wir es dahin bringen, daß die große Menge die Gegenwart versteht, so lassen die Völker sich nicht mehr von den Lohnschreibern der Aristokratie zu Haß und Krieg verhetzen, das große Völkerbündnis, die Heilige Allianz der Nationen, kommt zustande, wir brauchen aus wechselseitigem Mißtrauen keine stehenden Heere von vielen hunderttausend Mördern mehr zu füttern, wir benutzen zum Pflug ihre Schwerter und Rosse und wir erlangen Friede und Wohlstand und Freiheit.“ (Heinrich Heine, Französische Zustände – Vorrede, 1832, html.)

Das ist der kulturelle Sinn von Bildung und Wissenschaft. Verbesserungen beginnen!