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Studium für die Zukunft: Analytisch, kooperativ, in gesellschaftlicher Verantwortung

„Me-ti über das Denken
Me-ti sagte: Denken ist etwas, das auf Schwierigkeiten folgt und dem Handeln vorausgeht.“

Bertolt Brecht, „Me-ti * Buch der Wendungen“, entstanden im Exil der 1930er Jahre.

Beim „dies academicus“ am 17. April diskutierten über 300 Mitglieder der Universität einen Tag lang intensiv über Ziele, Stand und Möglichkeiten der Studienreform. Einleitend stellte Universitätspräsident Lenzen, die These auf, „dass die akademische Freiheit auch für Studierende gilt – und wir müssen das wollen –, dann müssen wir sie am Wissenschaftsprozess beteiligen und das heißt mehr als ihnen einen Platz in einem Hörsaal zuzugestehen und mehr als den Zugang zum Prüfungsgeschehen und zum Erwerb von Berechtigungen.“

Darüber hinaus ging der Einleitungsbeitrag von Sinah Mielich (FSR ErzWiss). Sie kontrastierte historisch-kritisch die kommerziell geleitete Deformation der Universität zur Bereitstellung von „Humankapital“ mit dem Uni-Leitbild „Bildung mündiger Menschen in gesellschaftlicher Verantwortung“ und definierte das Potential notwendiger Humanisierung auch in der Universität: „Das müsste dann einerseits ein bewußtes „Nicht-Mitmachen“ und „Sich-Verweigern“ beinhalten, andererseits aber auch ein mutiges „Anders-Machen“ – „Anders- Machen“ als von KMK oder Hamburger Senat vorgesehen – „Anders machen“ als Einzelne/r, als einzelnes Institut, als einzelne Fakultät oder – im besten Fall – als gesamte Universität.“

In diesem Kontext war die abseitige Pro-Bologna-Predigt des Vize-Präsidenten der Uni-Potsdam („Globalisierung“, „Wettbewerbsfähigkeit“, „Employability“ nicht als Ursachen, sondern als vermeintlich alternativlose Antwort auf die weltweite Krise) bestenfalls Anlaß kopfschüttelnden Verlachens.

Im Ergebnis der Diskussionen in Workshops und Plena besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß der Master der Regelabschluß sein soll (ohne gesonderte Bewerbung); der Bachelor würde so eine Möglichkeit des qualifizierten Ausstiegs (für Fach- oder Studienortswechsel sowie Einstieg in einen Beruf). Die Fristen sollen abgeschafft, die Wiederholungsmöglichkeiten erheblich ausgedehnt, die Prüfungen reduziert und enthierarchisiert werden. Die „Module“ und die Regelstudienzeit sollen – sofern nicht ganz zu überwinden – Orientierung für und nicht Restriktionen gegen Studierende sein. Die sogenannte „Berufsorientierung“ wird scharf kritisiert, wo sie auf die Formierung des Menschen als Ware und nicht auf eine sozialkritische Auseinandersetzung mit Lebens- und Arbeitsbedingungen gerichtet ist. Die Hochschulen müssen bedarfsgerecht finanziert, mehr Studienplätze geschaffen und das BAföG zum elternunabhängigen Vollzuschuß aufgestockt werden. Mehr demokratische Partizipation anstelle unternehmerischer Kontrolle (Akkreditierung, Hochschulrat, Qualitäts-„Management“) ist gleichermaßen Praxis als auch Forderung des „dies academicus.“ Exemplarisch für eine notwendige Sinn- und Kulturerneuerung steht die Forderung des Workshops „Hochschuldidaktik/Lehr-Lernformen“: „Erfahrungs- und Reflexionsräume schaffen, statt Zwang zur unsolidarischen Punktejagd.“

Sinah Mielich pointierte perspektivbildend: „Die Lust, sich die Universität wieder anzueignen, sie zu beleben und zu belieben, um die Debatte zu politisieren, sich der gesellschaftlichen Aufgabe von Universität bewusst zu werden und um sie zu kämpfen, muss größer werden – auch um gemeinsam ganz konkret für eine bedarfsdeckende Finanzierung einzutreten und den „Kampf um die Zukunft“ weiter zu führen.“

Die Ergebnisse des Studienreformtags
werden nun in einer Arbeitsgruppe aufbereitet und sollen möglichst schnell Eingang in die Überarbeitung der Studienordnungen durch die Gremien sowie in die Auseinandersetzung mit außeruniversitären politischen Akteuren finden.
Unter: www.uni-hamburg.de/UHH/DiesAcademicus2012.html sind Reden, Präsentationen und neue Ankündigungen einzusehen.