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Antifaschistisches Gedenken schafft Hoffnung

Der „Zug der Erinnerung“ ist diese Woche in Hamburg

„Es ist kaum eine Frage, daß die Zustände in den faschistischen Ländern sehr schlecht sind. Der Lebensstandard sinkt in ihnen, und sie brauchen samt und sonders Kriege, um sich zu erhalten. Man darf aber nicht annehmen, daß zur Aufrechterhaltung so schlechter Zustände besonders wenig Vernunft nötig ist. Die Vernunft, die hier angewendet werden muß, die ständig produziert werden muß und die nicht lange abgedrosselt werden kann, ist nicht gering, wenn sie auch von besonderer Beschaffenheit ist.
Man kann es so ausdrücken: Sie muß verkrüppelt sein.“

Bertolt Brecht, „Rede über die Widerstandskraft der Vernunft“, November 1937.

In den Jahren 1940 bis 1944 sind aus den Gebieten des „Deutschen Reichs“ über 12.000 Kinder in die Vernichtungsstätten der Nazis verschleppt worden. Etwa 1,5 Millionen junge Menschen waren es europaweit, die meisten jüdischer Herkunft. Ihr Transport – eng an eng in Viehwagen gezwängt – wurde mit bestialischer Genauigkeit von der „Reichsbahn“ organisiert, die dafür 2 Reichspfennige pro Person und Kilometer beanspruchte. An den Bestimmungsorten erwartete die meisten der sichere Tod durch Hunger, Seuchen, Arbeit oder in den Gaskammern.
An dieses Verbrechen erinnert die engagierte Wanderausstellung „Zug der Erinnerung“, die von Dienstag bis Samstag zwischen 10 Uhr und 19:30 Uhr auf Gleis 5 des Altonaer Bahnhofs zu besichtigen ist. Die Leben und Leidenswege der Deportierten werden exemplarisch erläutert und in den historischen Zusammenhang der Nazidiktatur eingeordnet. Ein Waggon zeichnet vor allem die Geschichte der etwa 1.000 verschleppten Kinder aus Hamburg nach.

Mit diesen Geschichten konfrontiert, drängt sich die Frage auf, welche ungleich bessere Wendungen die Biographien von Millionen Menschen hätten nehmen können, wäre der Widerstand gegen die braunen Mordbanden 1933 energischer, solidarischer und weitblickender gewesen. In was für einer Welt würden wir jetzt leben?

Heute, in Zeiten des vielfach geschönten Turbokapitalismus, ist diese Ausstellung nicht unumstritten. Die Deutsche Bahn (Börsengang in Vorbereitung) hat sich über Jahre geweigert, das Gedenken – und damit die Aufarbeitung ihrer Geschichte – auf ihren Bahnhöfen zuzulassen. Sie besitzt noch immer die Frechheit, den Ausstellungsmachern über 70 000 Euro „Streckennutzungsgebühren“ abzuknöpfen. Und sie weigert sich, die Ausstellung länger als einen Tag (Ostermontag) im Hamburger Hauptbahnhof zu zeigen, aus „betriebs-technischen“ Gründen.
Hier handelt es sich um eine enorm verkrüppelte Rationalität.
Auch diese Handlungsweise belegt die Notwendigkeit dieser couragierten Initiative.

Es ist der konsequenten Arbeit von etlichen Antifaschistinnen und Antifaschisten zu verdanken, daß die Ausstellung auf mittlerweile 43 Bahnhöfen von 145.000 Menschen gesehen, reflektiert und diskutiert wurde. Die Möglichkeit sollte auch hier vielfach ergriffen werden.
Nur wenn das historische Bewußtsein wach bleibt, können Lehren aus der Geschichte gezogen werden. Zum Beispiel die, daß es keine menschenwürdige Gesellschaft ohne Frieden und Demokratie gibt.
Erst kritische Verantwortung macht das Dasein menschlich.

Ausstellung:
„Zug der Erinnerung“
25.-29. März 2008
Bahnhof Altona, Gleis 5
10 Uhr bis 19:30 Uhr
www.zug-der-erinnerung.eu