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Kurt Hiller und das andere Hamburg

„Geben Sie dem Kompromiß eine Chance.“

Herlind Gundelach anläßlich der Eröffnung der Ausstellung „Der Weltverbesserer Kurt Hiller“ am 5. August 2010 in der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky.

„Pazifismus bezeichnet keine Lammesgesinnung und keine Betschwestertugend, sondern die kämpferische Bewegung für eine Idee. Für welche Idee? Nicht für die Idee, daß auf Erden zwischen Menschen und Menschengruppen Kämpfe aufhören, sondern für die Idee, daß auf Erden Kriege aufhören. Kampf und Krieg sind nicht synonym .“

Kurt Hiller, Rede auf dem Pazifistenkongreß in Braunschweig, 1920.

„Der Weltverbesserer Kurt Hiller – zum 125. Geburtstag des Publizisten, Pazifisten und Juristen“ heißt die sorgfältige Ausstellung in der Staats- und Universitätsbibliothek (StaBi), die bis zum 26. September noch besucht werden kann. Sie regt alle Lernenden zur vernünftigen Handlungsweise an, da auch durch Hamburg ein tiefer Riß geht.

Das wurde bei der Eröffnung deutlich. Reichlich unpassend sprach Wissenschafts-Senatorin Gundelach. Sie offenbarte, daß sie die Autoren der demokratisch und antimilitaristisch couragierten ›Weltbühne‹ wegen „ungezügelter Kritik an der parlamentarischen Demokratie“ für das Scheitern der Weimarer Republik verantwortlich macht.

Das ist wenig entfernt von der nachträglichen Legitimation der politischen Verfolgungen zur NS-Zeit. Carl von Ossietzky – Namensgeber der StaBi, Hamburger und Chef der Weltbühne, für die auch Kurt Hiller schrieb – starb an den Folgen der KZ-Haft. Der unhaltbare Anti-Totalitarismus Gundelachs mündete im Lamento, man möge doch auch auf gescheiterte Politiker zugehen und somit das parlamentarisch-demokratische System „verteidigen“. (Gegen wen?)

Die Konservative ist mit ihrem Mißerfolg beschäftigt.

Diese politische Offenbarung war allerdings eher eine Bekräftigung des eigentlichen Versammlungszwecks: Das Wirken des „ratioaktiven“ Kurt Hiller dem Vergessen zu entreißen – für eine bessere Zukunft. Die Würdigung durch Dr. Wolfgang Beutin (mit Hiller: „Helles Licht silberner Beschwingung“) war positives Contra: Hillers Engagement galt dem „Sprung ins Helle“, dem eine aktiv-humanistische „Welt-Wollung“ zugrunde liege. Das Nein zum Krieg, zur kapitalistischen Unterdrückung, zu Weltverdunklung und -dummung sowie zu vorurteilsbeladener Inegalität – Hiller war engagierter Jurist für die Gleichstellung Homosexueller und schuf Grundlagen demokratischer Rechtsprechung, die in der BRD erst seit 1969 bestehen – orientiert für eine wahrhaft menschlichen Gesellschaft. Im direkter Gegnerschaft zum Faschismus formulierte er im März 1933: „Freilich, die echte Ehre der Nation fordert andres als den Mord. Sie fordert Solidarität im Erfüllen der ewigen Aufgabe des schöpferischen Geistes. Sie fordert Humanität. Sie fordert die Herstellung einer Ordnung, in der es Arbeit für Alle gibt, menschenwürdige Muße für Alle, Brot und Bad und Licht und Luft für Alle, Freiheit der Liebe für Alle, Zugang zum Geist für Alle.“

Hiller hat die Haft (1933/34) überlebt und nach 21 Jahren Exils 1955 in Hamburg seine letzte Wirkungsstätte (bis 1972) gefunden. Als Jurist und Publizist kämpfte er bald im Verbund mit den Studierenden gegen die Wiederaufrüstung und das Adenauer-Regime für Frieden, Aufklärung und sozialen Fortschritt. Die StaBi würdigt sein Werk auch durch eine Sammlung von „Hilleriana“.

Die nervöse Senatorin weiß, was sie nicht will: Das ›andere‹, das antimilitaristische, das demokratisch engagierte, das solidarische, das linke, das durch Arbeit, Aufklärung und Emanzipation wertvolle Hamburg.

Das erfordert weiterhin manchen Gedanken, in der Tat.


Die Ausstellung
„Der Weltverbesserer Kurt Hiller“
ist vom 6. Aug. bis 26. Sep. 2010
im Ausstellungsraum der StaBi
im Erdgeschoß, Mo-Fr 9-21 Uhr und Sa-So 10-21 Uhr zu sehen.
Der Eintritt ist frei.