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„Gekaufte Wissenschaft?“

Kritische Reflexion und Konsequenzen

„Schlage die Trommel und fürchte Dich nicht,
Und küsse die Marketenderin!
Das ist die ganze Wissenschaft,
Das ist der Bücher tiefster Sinn.“

Heinrich Heine: „Doctrin“, Zeitgedichte, Paris 1844.

Ende Januar hatte das Kompetenzzentrum Nachhaltige Universität (KNU) zum zweiten Wissenschafts-Café geladen: „Gekaufte Wissenschaft? – Der Einfluss von Politik, Wirtschaft und vom Rest der Welt“. Einleitend problematisierte Prof. Schulte-Markwort (UKE, Kinder- und Jugendpsychologie) am Beispiel, daß eine öffentliche Forschungsfinanzierung für Pharmakologie fehle und damit die Industrieabhängigkeit enorm sei. Es werde nur in Bereichen geforscht, wo ein großer Markt erwartet werde – also kaum für Kinder oder gegen seltene Erkrankungen. Ärzte würden so in die perverse Situation gedrängt, die Industrie auffordern zu müssen: „Kauft mich!“ …und legte damit nahe: „Empört Euch!“ Der NDR-Journalist Benedikt Strunz (er ermittelte die Forschungsfinanzierung des Pentagons in der BRD) forderte mehr Transparenz im Umgang mit Drittmitteln, weil die Gesellschaft ein hohes Interesse an universitärer Forschung habe. Die Herstellung von Öffentlichkeit sei notwendig zur wissenschafts-internen und gesellschaftlichen Diskussion über die Forschungsrelevanz.

In anschließender Erörterung wurde leicht Einigkeit erzielt, daß eine bedarfsgerechte Grundfinanzierung und Transparenz der unethischen Indienstnahme von Wissenschaft entgegenwirken. Die kritische Vertiefung der Zusammenhänge zeigte aber, daß „gekaufte Wissenschaft“ nicht erst bei der privatwirtschaftlichen Verfügung über Forschungsergebnisse oder der Zweckbindung von Drittmitteln beginnt. Vielmehr sind es schon marktförmige, kurzfristige Bewerbungsverfahren oder die Ranking-Praxis anerkannter Zeitschriften, die zum Beschreiten ausgetretener und rutschiger Pfade drängen. Die Erfolgskultur müsse insofern einer Kultur entwicklungsoffener Kritik weichen.

Als hilflos erwies sich dabei die konservative Abgrenzung des „freien Wissenschaftlers“ oder „der Hochschulautonomie“ gegenüber „Gesellschaft“, „Wirtschaft“ und „Staat“. Dieser Scheingegensatz verleugnet den Zusammenhang der Wissenschaftssubjekte mit ihren gesellschaftlichen Arbeitsbedingungen, mit Ihresgleichen sowie die Einheit von Forschung, Lehre und Bildung mündiger Menschen. „Freiheit“ müßte vielmehr im erkenntnisgeleiteten interdisziplinären Austausch für Würde, Frieden, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und kulturelle Verständigung aufgefaßt und verwirklicht werden. Cui bono? [lat. Wem nützt es?] – Das gilt für die Prämissen wie die Folgen.

Die Hochschulen sollten also bedarfsgerecht öffentlich finanziert, sozial weiter geöffnet und zur umfassend demokratischen Selbststeuerung in gesellschaftlicher Verantwortung befähigt werden. Daran sollte auch die Novellierung des Hochschulgesetzes klar orientiert sein.

Noch einmal Heine (Deutschland. Ein Wintermärchen, 1844.):

„Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.“